The Purge 3: Election Year Filmkritik  - Wer die Wahl hat …

  

Es ist wahrscheinlicher, dass man blindlings in einen trüben Fluss springt und überraschend einen Goldklumpen auf dem Boden findet, als das eine Horrorfilmreihe von Teil zu Teil besser wird. Was jedoch als bloßer Home-Invasion-Thriller 2013 mit "The Purge - Die Säuberung" begann, wurde mit "Anarchy" zu einem beinharten Actionbrett und nun, 2016, ein Politik-Horrorfilm, der den Nerv der Zeit gar nicht besser hätte treffen können. Das gebeutelte Jahr will entsprechende Verarbeitung erfahren und findet diese in einer Satire, die selten bissiger, überzogener und moralisch anstößiger war. "The Purge 3: Election Year" ist damit der beste Teil der Reihe und das will tatsächlich etwas heißen.

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The Purge: Election Year startet am 15. September in den deutschen Kinos.

Pest oder Cholera?

Die Wirtschaft hat sich dank der NFFA erholt. Unter der Führung des christlichen Pfarrers Edwidge Owens (Kyle Secor) hat die Nacht der Säuberung zu vielen positiven Effekten geführt. Die Ökonomie besteigt die höchsten Berge, Penner und anderer Dreck wird von den Straßen gespült. Menschen können endlich wieder Menschen sein und nach Herzenslust solche töten, die nicht in ihren beschränkten Verstand passen und die Reichen und Mächtigen bekommen ein Schauspiel geboten, dass seit dem Höhepunkt der Macht der Römer nicht mehr so unterhaltsam war.

Und wo in der heutigen Zeit dumme Ausreden dazu führen, dass verdrehte Geister ihrer Mordlust frönen und sich Terroristen auf der ganzen Welt anschließen, haben sie hier eine echte Alternative, um ihre Hände und Seele mit Blut zu beschmieren. Denn die Purge-Nacht (12 Stunden jegliche Verbrechen begehen, ohne dafür bestraft zu werden) zieht nun einmal im Jahr auch fremdländische Eiferer an, so wie Thailand Sextouristen. Machen Sie Urlaub in den USA. Schlagen Sie einem Bettler den Kopf ein und vergewaltigen sie die Nichte des verhassten Ausländers. Frühstück nicht inklusive.

Das ist bitter. Das ist unangenehm. Und doch ist es nicht soweit überzogen, dass man die Parallelen zur heutigen Gesellschaft und ihrer unterdrückten Aggression nicht spüren könnte. Brot und Spiele verlangt das Volk. Aber nicht nur die Vergleiche zur menschlichen Psyche und den Abgründen, die sich dort oftmals auftun, werden in "The Purge 3" ansprechend thematisiert, sondern auch die Methoden, die manch ein Politiker und andere Vertreter in hohen Positionen sich zu Nutze machen.

Wie ein Kostüm tragen sie die Roben ihrer Berufung. Der eine im Anzug und mit passender Krawatte, andere mit Kollar am Kragen. Der Masken gibt es viele und Moralgeschwafel hilft, sich ins rechte Licht zu rücken. Und obwohl ich nicht glaube, dass eine Welt wie die hier dargestellte in absehbarer Zeit Realität werden könnte, so gelingt es Regisseur James DeMonaco doch, zum Denken anzuregen. Die Methoden, die hier angewendet werden um das zu erreichen, sind zwar völlig überzogen, aber gleichzeitig konsequent umgesetzt.

Als Beispiel dient hier die real existierende Wahlkreisschiebung, die mächtigen Politikern in den vereinigten Staaten schon oft geholfen hat, ihre Position zu behalten und der strategische Winkelzug des Präsidenten im Film, ein bestimmtes Gesetz nur einen Tag vor der nächsten Säuberung zu ändern. Eigentlich ist es während der Purge-Nacht nicht erlaubt, hochrangige Politiker anzugreifen. Aber wenn eine Gegnerin dieses Konzepts, Senatorin Charlie Roan (Elizabeth Michell), gute Chancen hat, die nächste Wahl zu gewinnen, dann muss man entsprechende Schritte einleiten, oder nicht?

Ein bisschen alt und ganz viel neu

Und weil in diesem Film Feinmotorik ein Fremdwort ist, wird mit der Brechstange gearbeitet und nicht mit mit filigraner Erzählkunst. Und da gehört ein religiöser Führer zu, der mit verzehrter Fratze und widerlicher Geilheit, von der Notwendigkeit des Tötens philosophiert, während er Gott lobt und gleichzeitig Whitepower-Schlägertruppen ins Feld ziehen lässt, die selbst der braunen Schande deutscher Geschichte noch alle Ehre gemacht hätten. Erschreckend ist hier nicht was man zu sehen bekommt und wie plump es wirken kann, sondern viel mehr der dünne Streifen, der diese abstrusen Bilder von der unseren Welt trennt.

Überlebenskämpfe wie wir sie aus dem ersten Teil kennen und schreckliche Situationen, in die sich niemand wirklich hineinversetzen möchte, gibt es natürlich noch immer. Der Grundstein dieser Filmreihe wurde beibehalten und Teenies mit hässlicher Seele, die in der besagten Nacht ihre Eltern ermorden und andere Gräueltaten der Rasse Mensch, sind immer noch ein wichtiger Bestandteil des Konzepts. Doch der Winkel hat sich schon im zweiten Teil stark verschoben und hier tut er es erneut.

Der Überlebenskampf der Senatorin und ihres Bodyguards Leo Barnes (Frank Grillo) ist vor allem ein Spiegel der Gesellschaft und stellt den Zuschauer vor einige moralisch spannende Fragen. Es ist Satire mit dem Eisenhammer und ein warnender Zeigefinger zugleich. Als reines Actionbrett funktioniert "The Purge 3" daher nur noch bedingt. Stattdessen bekommen wir eine zynische Abrechnung mit der Welt und ihren Bewohnern und vor allem ihren politischen und religiösen Anführern.

Fazit

Zugegeben. Alles wird dabei kaum richtig gemacht und man muss einen besonderen Blick auf das große Ganze riskieren können, um die Aussage des Films richtig ins Auge zu fassen. Wem das gelingt, der bekommt durchaus einen konsequent abgründigen Film, der immer wieder tiefe Menschlichkeit in das Geschehen mit einbringt. Musik, schauspielerisches Talent, Kamera und andere Feinheiten des Filmgeschäfts fallen hier in den Hintergrund und könnten statt pures Mittelmaß auch in einem deutlich niedrigeren Bereich liegen. Dieser Film hätte trotzdem seinen Reiz, da er nicht von technischen Daten, sondern von einer Aussage lebt. Und die wird vergleichsweise mehr als ansprechend in Szene gesetzt.

Das macht "The Purge 3: Election Year" aber auch schwer empfehlenswert, da richtiger Stoff zum Vergleichen fehlt. Am besten beschreibt man es mit der Veränderung, welche die Reihe schon von Teil 1 zu Teil 2 durchlebt hat. Ein ähnlicher Richtungswechsel fand auch hier statt, nur das wir uns jetzt ganz oben auf der erzählerischen Leiter befinden. Angefangen bei den bloßen Opfern dieses Konzepts, haben sich die Macher hinauf gearbeitet und zeigen die Machtspielchen auf höchster Ebene. Das gefällt sehr viel besser, als der Versuch, den Erfolg vom ursprünglichen Film wieder und wieder zu verwerten. "The Purge" bleibt dadurch frischer, als man es für möglich gehalten hätte.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 09.09.2016