„Thor 3: Tag der Entscheidung“ Filmkritik — Götterdämmerung auf LSD

  

Ihr könnt von der Übernahme Marvels durch den Monster-Konzern Disney halten, was immer ihr wollt. Wer sollte es euch auch verbieten? Doch eine Sache kann man aus keinem Blickwinkel leugnen: Die Mickey-Mouse-Filmmaschinerie lernt erschreckend schnell, was sich das breite Publikum wünscht. Wie die Spange am Zahn der Zeit, den Fuß immer in der Tür, die Nase stets im Wind. In „Thor 3: Tag der Entscheidung“ wird deutlich, wie viel ein (nicht ganz so) kleiner Richtungswechsel bewirken kann.

Thor

Davon geht die Welt nicht unter

Loki (Tom Hiddleston) in der Gestalt Odins auf dem Thron. Thor verschollen im Nirgendwo der Galaxis, auf der erfolglosen Suche nach anderen Infinity-Steinen. Und der wahre Allvater stirbt irgendwo auf der Erde vor sich hin. Schlechter Zeitpunkt zum Abdanken, denn er hat seinen Söhnen noch nicht alles gebeichtet. Zum Beispiel über ihre ältere Schwester, der Göttin des Todes, die in dem Augenblick Asgard betreten wird, in welchem Odin den letzten Atemzug vollendet.

Eine Information, die vielleicht von Belang hätte sein können, denn es gibt niemanden in Asgard, der Hela, gespielt von Cate Blanchett („Babel“, „Der talentierte Mr. Ripley“, „Aviator“), in Sachen Kampfkraft das Wasser reichen könnte. Was macht man in Hollywood bei solch einem Auftakt? Richtig. Der Protagonist wird auf eine Heldenreise geschickt, auf welcher er seine Bestimmung findet und seine wahren Kräfte entfesselt. Dann kehrt er zurück und entscheidet den Kampf für sich. Nicht nur durch Muskelkraft, sondern auch durch Verstand.

Das klingt so 08/15 wie es ist — eine Handlungsbeschreibung, die mich nach „Thor 2: The Dark Kingdom“ noch abgeschreckt, vielleicht sogar dem Kino fern gehalten hätte. Aber wie ich bereits angedeutet habe, versteht Disney äußerst schnell, wo der Hund begraben liegt, wenn die Zuschauerzahlen zu wünschen übrig lassen. Mit Blick auf jüngste MCU-Produktionen wie „Doctor Strange“ und „Spider-Man: Homecoming“ wird gehörig am Steuerrad gedreht, und das Segel dem Sturm zum Trotz gehisst.

Wuff macht der Hund

Was in erster Linie dazu geführt hat, dass sich zwei Dinge zu neuen Hauptträgern dieses Films entwickelt haben. Zum einen ist der Humor in „Thor 3“ um einiges umfangreicher, häufiger und nicht zuletzt auch aggressiver als noch in den beiden Vorgängern. Reißer am laufenden Band, mit Schwankungen im Niveau, die sich zwischen wildem Losprusten und beschämt verdrehter Augen bewegen. Am wichtigsten ist dabei jedoch, dass der Humor weder schlechter noch unbedingt besser gelungen ist, als in den erwähnten Schwestern-Produktionen von Strange und Spidey.

Punkt 2 wird durch die exzellent in Szene gesetzte Action definiert, welche um einiges anschaulicher und auch unterhaltsamer ausfällt als noch in „Thor 2“. Arschcool mag in diesem Zusammenhang keine äußerst professionelle Bezeichnung darstellen, trifft den sprichwörtlichen Nagel nichtsdestoweniger auf den Kopf. Die meiste Zeit über wirken die rasanten Szenarien wie Cinematic-Trailer großer AAA-Videospiele, jedoch ohne allzu deutlich zu verraten, wo der Schnitt zwischen echten Schauspielern und geschickt eingesetztem CGI zu finden ist.

Dieses Kostüm, diese Präsentation, passt sehr viel besser zu der cineastischen Version von Thor als die zuvor eingeschlagenen Wege der Darstellung dies getan haben. Es ist natürlich auch eine nicht zu unterschätzende Veränderung, welche dem Publikum da ins Haus steht; meiner Ansicht nach jedoch eine positive, da es nur äußerst selten vorkommt, dass sich Kritiker dazu hinreißen lassen, den dritten Teil einer Trilogie als ihren Favoriten zu bezeichnen.

Aus Stumpf mach Trumpf

Dem düsteren Look von Teil 2 wurde ebenfalls abgeschworen und Regisseur Taika Waitit („5 Zimmer Küche Sarg“, „Wo die wilden Menschen jagen“, „Green Lantern“) präsentiert seinen Film grafisch so farbenfroh und gesättigt, wie es der neuen Richtungsangabe entspricht. Aus einem Werk, das eigentlich von Untergang und Enden erzählen wollte, wird ein Produkt der Wiederauferstehung, neuer Ziele und einem Finale, dass sich in Wirklichkeit als neuer Anfang entpuppt.

Untermalt, beinahe auch verfeinert, wird das Gesehene durch die Art und Weise mit welcher die Schauspieler hier am Werk sind. Das weniger gewollte, dafür viel sympathischere Auftreten von Thor passt um Längen besser zu der professionellen Auslegung des Charakters durch Chris Hemsworth („Marvel´s The Avengers“, „Rush — Alles für den Sieg“, „The Cabin in the Woods“) - verleiht ihm dadurch irrwitzigerweise sogar mehr Tiefe.

Neue wie alte Figuren bekommen einen Anstrich, der zwar erst einmal verkraftet werden muss, ihnen jedoch im Allgemeinen sehr gut zu Gesicht steht. Aus der Sicht eines Fanboys wie gleichsam der Einschätzung eines professionellen Filmkritikers unterlegen, kann ich generell nur an zwei Figuren negative Kritik anbringen. Da wäre auf der einen Seite Anthony Hopkins („Das Schweigen der Lämmer“, „Westworld“, „Der Elefantenmensch“), der so gelangweilt und desinteressiert scheint, dass es fast die Vermutung zulässt, Tod, Leben, Kinder, Feinde, Krieg … das Alles ginge Odin schon seit Jahrzehnten am Allerwertesten vorbei.

Und dann wäre da noch Tom Hiddleston, welcher erneut in die Rolle des Loki schlüpft. Brillant gespielt, keine Frage, nichtsdestoweniger mit dem bitteren Nachgeschmack, dass eine vielfältig funktionierende und durchaus noch für viele Wege offen stehende Figur hier zu einem Punchingball zweckentfremdet wird. Dass macht Szenen mit ihm zwar per se nicht weniger attraktiv, doch stellenweise deutlich sinnentleerter.

Jeff Goldblum („Jurassic Park“, „Die Fliege“, „Independence Day“) als Grandmaster und Cate Blanchett in der Rolle von Todesgöttin Hela seien an dieser Stelle speziell erwähnt, da sie wunderbaren Esprit mit in das Werk bringen. Beide sind mit so viel Leidenschaft und Hingabe in ihren Rollen, dass sie alleine das Bild beherrschen, wann immer sie eine Szene zu spielen haben. Die Hingabe lässt sich beinahe fassen, der Spaß am Dreh ist gleichsam deutlich anzumerken.

Fazit

Die Geschichte und der grobe Ablauf in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ ist doof wie Brot. Die Präsentation des Werks, in all ihren bunten Farben, dummen Sprüchen, hervorragenden Schauspielern und exzellent eingesetzter Special-Effects, ist dafür auf solch hohem, unterhaltsamen Niveau, dass es äußerst schwer fällt, diesen Film nicht zu mögen. Popcornkino ist es natürlich trotzdem, darüber brauchen wir wohl nicht zu streiten, dafür vergeht die Zeit beim Sichten wie im Flug und wer ähnliche, im Text erwähnte Produktionen mochte, kommt um Taika Waititis Streifen wohl kaum herum. Eine klare Empfehlung für alle Freunde des Marvel Cinematic Universe.

Thor 3: Tag der Eintscheidung ist ab dem 31.10.2017 in den deutschen Kinos zu sehen.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 20.10.2017