Der Verdingbub

Der Verdingbub © 2012 Ascot Elite

Die Schweiz um 1950. Der zwölfjährige Waisenjunge Max (Max Hubacher) träumt von einer „richtigen“ Familie. Als ihn der Pfarrer (Andreas Matti) auf den Bauernhof der Bösigers verdingt, hofft Max auf Liebe und Zuneigung. Doch der trunksüchtige Bauer (Stefan Kurt) und seine Frau (Katja Riemann) halten ihn wie ein Arbeitstier. 

Der Trailer zu VERDINGBUB


Auch der Sohn Jakob (Max Simonischek) setzt dem Verdingbub körperlich und seelisch zu. In der Schule bemerkt die Lehrerin (Miriam Stein) die Spuren der Misshandlungen. Sie verhilft Max zu Selbstachtung, indem sie seine Leidenschaft für das Spielen der Handorgel fördert. Ein Auftritt beim örtlichen Schwingfest sorgt aber für Missgunst und macht das Leben auf dem Bauernhof noch schwerer. Neben der Musik gibt die 15-jährige Berteli (Lisa Brand) Max Kraft, die ebenfalls an die Bösigers verdingt wurde. Mit ihr träumt er sich in eine Fantasiewelt nach Argentinien, wo man Tango tanzt und immer Fleisch isst. Doch die Realität schlägt schon bald wieder brutal zu.

Der Hintergrund: Die Verdingkinder

Die Geschichte der Verdingkinder ist eines der dunkelsten Kapitel in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Zwischen 1800 und 1950 rissen die Behörden viele hunderttausend Waisen, Scheidungs- und uneheliche Kinder aus ihrem Umfeld. Sie steckten sie in Heime oder boten sie Bauern als sklavenähnliche Arbeitskräfte an. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts fanden auf Verdingmärkten regelrechte Versteigerungen statt. Den Zuschlag bekam jene Familie, die das geringste Kostgeld verlangte. Schätzungen zufolge, wurde vor dem Ersten Weltkrieg allein im Kanton Bern jedes zehnte Kind verdingt.

In einzelnen Gemeinden soll die Praxis auch noch über 1950 hinaus üblich gewesen sein. Betroffene beschreiben, dass man sie auf den Märkten „wie Vieh abgetastet“ habe. Andernorts wurden die Kinder durch Losentscheid wohlhabenden Familien zugeteilt. Die Pflegeeltern wurden gezwungen, Kinder aufzunehmen, auch wenn sie keine haben wollten. So wurden die Kinder wie Leibeigene für Zwangsarbeit auf den Bauernhöfen eingesetzt, meist ohne Lohn und Taschengeld. Menschliche Wärme, emotionale Zuwendung und eine Schulbildung suchten viele in ihrer verlorenen Kindheit vergeblich. Sie wurden ausgebeutet, erniedrigt, vergewaltigt. Einige fanden sogar den Tod. Misshandlungen wurden nur selten verfolgt. Falls solche Fälle überhaupt bekannt wurden, entzogen die Behörden den Pflegeeltern lediglich das Recht, in den nächsten fünf Jahren neue Verdingkinder zu erwerben.

Mitleid konnten die Opfer keines erwarten. Im Gegenteil: Armut galt bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als selbstverschuldet, als genetisch oder durch Faulheit bedingt. Für Kinder aus armen Familien galt harte Arbeit deshalb als bestes Mittel, um ihnen Fleiß und Disziplin beizubringen. Obwohl die Schweiz schon im Jahr 1912 Gesetze zum Schutz von Kindern einführte, hielten sich in vielen Fällen nicht einmal die Vormundschaftsbehörden daran. Ihr Interesse war es, die eigenen Ausgaben für Waisenkinder möglichst gering zu halten und Kinder aus schwierigen Verhältnissen in „ordentliche” Familien zu stecken. Wenn nötig, auch mit Polizeigewalt.

Nach zögerlicher Aufarbeitung des Umgangs mit Kindern der fahrenden Jenischen, die in der Schweiz zwischen 1926 und 1972 in dem Pro-Juventute-Projekt „Kinder der Landstraße“ ihren Eltern entrissen und bei Pflegeeltern mit festem Wohnsitz untergebracht wurden, hielt das lange Zeit verdrängte Schicksal der Verdingkinder erst vor wenigen Jahren Einzug in die Schweizer Öffentlichkeit und Medien. 2009 nahm sich das Oral-History-Projekt „Verdingkinder reden“ des Vereins „Geraubte Kindheit” dieses Themas an. Die Ausstellung tourte bislang durch acht Schweizer Städte und stellt Schicksale armer und verwaister Kinder vor, die man in der Schweiz des 20. Jahrhunderts kaum für möglich gehalten hätte.

Im Juli 2012 entschuldigte sich die Regierung des Kantons Freiburg — wie zuvor schon in den Kantonen Waadt, Bern, Luzern und Thurgau — offiziell bei allen ehemaligen Verdingkindern, die „einer normalen Kindheit beraubt worden sind, die Missbrauch und Misshandlungen erleiden mussten“, und räumte Versäumnisse der damaligen Behörden ein. Das „Netzwerk Verdingt“ fordert neben derartigen verbalen Entschuldigungen auch eine finanzielle Wiedergutmachung für die Arbeit, die Verdingkinder einst unentgeltlich leisten mussten. Umgerechnet auf den heutigen Geldwert fordern sie 120.000 Franken pro Person. Weil in der Schweiz noch ca. 10.000 Betroffene leben, entspricht dies insgesamt 1,2 Milliarden Franken, rund eine Milliarde Euro. Aktuell laufen Gespräche über eine gesamtschweizerische Lösung für entsprechende Entschädigungszahlungen.

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Details zu Der Verdingbub

Titel:Der Verdingbub
Der Verdingbub (Schweiz 2011)
FSK:12
URL:http://www.verdingbub.ch/
Verleih:Ascot Elite
Genre:Drama
Regie:Markus Imboden
Darsteller:Stefan Kurt, Katja Riemann, Max Hubacher
Spielzeit:110 Minuten
Filmstart:25. Oktober 2012
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