Filmkritik zu Tschiller: Off Duty

  

Til Schweiger polarisiert, sein nicht die Ordnung aufrechterhaltender, dafür aber Selbstjustiz übender Kommissar Tschiller steht ihm dahingehend in wenig nach. Böse Zungen könnten behaupten, dass das, was Schweiger im weltweiten Web an Dampf ablässt, das verfeuert Tschiller an Blei in die Körper seiner Feinde: osteuropäische Gangster, nahöstliche Verbrecher, Menschenschieber, Sextrafficer, Organschmuggler und Waffenhändler. Viermal durfte Tschiller in der altehrwürdigen und heiligen Kuh der ARD als Tatort-Kommissar um 20:15 ran, die ersten beiden Teile hingen lose, die letzte beiden eng zusammen und der Kinoauftritt „Off Duty“ bildet nun das große Finale.

tatort off duty

Der neue Schweiger-Tatort ist ab heute, 04. Februar 2016 in den deutschen Kinos zu sehen.

00Tschiller

Und „groß“ ist „Off Duty“, der dritte Tatort im Kino tatsächlich. Immerhin geht es in die weite Welt hinaus. Nicht einmal Schimanski durfte soweit reisen. Für den kamen im Kino („Zahn um Zahn“, „Zabou“) nur Wuppertal und Marseille in Frage. In Hamburg jemanden umzulegen würde aber wohl zu viele neue Fragen aufwerfen. Denn nach illegalem Einsatz von Kriegswaffen, der ein oder anderen Überschreitung von Befugnissen und dem vermutlichen Mangel an lebenden Zielscheiben bleibt Tschiller nur noch das Ausland. Könnte man meinen, aber wie so oft im Leben von wackeren Helden (mit oder ohne versteinerter Mimik) kommt es erstens anders und zweitens als man denkt.

Der Grund ist seine Tochter. Also die von Tschiller natürlich. Denn mit Luna, ach ne, Lenny, Schweiger oder Tschiller, halt die mit den fünf Buchstaben im Vornamen und Tschiller im Nachnamen, fällt der Apfel nicht weit vom Stamm. Aus Sicherheitsgründen und um die bleifreudige Familientradition zu erhalten hat Tschiller nämlich Lenny an der Waffe ausgebildet, wo doch deren Mutter erst vor kurzer Zeit vom kurdischen Superverbrecher Firat Astan erschossen wurde. Egal, mit Psychologie hat es der ehemalige SEK-Mann nicht so und dies will hier auch, wie so viele andere Logiklöcher der Tschiller-Reihe, gar nicht sonderlich ins Feld geführt werden. Weder für noch gegen ihn. Nicht einmal die gesprochenen Ausrufezeichen, noch die Leichen, der fehlende Tatort im Titel von „Tschiller: Off Duty“ oder das Wegfallen der typischen Eröffnung. Alles völlig in Ordnung, denn es ist ja Schweigers Tatort. Der muss nämlich einen von öffentlich-rechtlichen Gebührengeldern maßgeblich finanzierten Tatort auch nicht vorab der Presse vorführen. Dass dies bei seinen eigenen Produktionen so üblich ist, ist absolut in Ordnung, kann er doch dort verfahren, wie er lustig ist. Genau wie Tschiller in der Vergangenheit über keine der von ihm abgefeuerten Kugeln und Raketen so wirklich Rechenschaft ablegen musste. Seit „Schutzengel“ hat Schweiger nämlich eines gelernt: es kommt nur auf die Menge des abgefeuerten Materials an, nicht so sehr auf die Qualität. Hauptsache es klappert schön laut, immer wie Patronenhülsen auf feinsten Marmor, selbst wenn es trockener Erdboden ist.

DIE Tschiller

„Tschiller: Off Duty“ macht da kaum Unterschiede. Denn offenbar sind Regisseur Christian Alvart („Antikörper“, „Pandorum“) und Drehbuchautor Christoph Darnstädt große Fans von us-amerikanischen Actioneers der angestaubteren Kategorie. War die letzte tatsächliche Tatort-Epsiode von Herrn Tschiller noch sehr stark an Kiefer Sutherlands/Jack Bauers „24“ angelehnt, so muss für „Auszeit“ (so der kurzzeitig im Gespräch gewesene deutsche Titel) nun Liam Neesons/Olivier Megatons „Taken 2“ den Kopf herhalten. Schön ist es dann aber, dass sich Schweiger und Alvart inzwischen weit von der eigenen Aussage entfernt haben „einen harten und realistischen Tatort“ abliefern zu wollen. Geblieben ist einzig irgendetwas wie „hart“. Wenn hart nicht ins Budget passt, dann wird es hektisch. Denn wie bei allen westeuropäischen Actionstreifen, die sehr auf das Budget achten müssen, bleibt oftmals wenig Zeit für liebevoll einstudierte Sequenzen, die auf die Sekunde genau durchgeplant wurden. Statt dessen wird wild drauf losgedreht, zackig zusammengeschnitten und schon ist Tschiller der Haudrauf und Parcourläufer, der er eben sein muss um im Dschungel der finsteren Großstädte Moskau und Istanbul zu überleben. Denn genau dorthin verschlägt es ihn. Istanbul, so wissen wir aus „Taken 2“, ist nämlich in erster Linie kriminell und zweiter Linie korrupt. Womit es sich nur in Sachen Gelbstichigkeit von Hamburg unterscheidet. Genau deswegen macht sich auch Luna, Entschuldigung Lenny dorthin auf, um den Mörder der Mutter seinem verdienten Ende durch eine Ladung Blei zuzuführen. Doof nur, dass Firat Astan gar nicht so die Nummer in Istanbul ist. Hier hat der noch fiesere Süleyman Seker (Özgür Emre Yildirim) das Sagen. Der verschifft nicht nur minderjährige Sexsklaven, er lässt ihnen auch vorher noch alles an Organen entnehmen, was nicht für das zukünftige Elend gebraucht wird. Selbst der hat aber was gegen Erdogans Regime und deswegen geht es nach Istanbul weiter entlang der Grenzen Europas nach Moskau.

Außer Dienst, aber immer im Einsatz

Was in Sachen Logik nicht landet, das macht „Tschiller: Off Duty“ im Witz wett. In Gegenwart von sicher homophoben Polizisten in Russlands Hauptstadt hauen sich Tschiller und sein Partner Yalcin Gümer (Fahri Yardim) genüsslich auf den Allerwertesten und treiben weiteren Schabernack. Wer fürchtet, der Mähdrescher auf dem Roten Platz aus dem Trailer könnte der Gipfel gewesen sein, der und die seinen beruhigt, es geht durchaus noch ein wenig doller. Wie schon in der Vergangenheit von vier Tschiller-Tatorten in Hamburg funktioniert das Gespann Schweiger/Yardim wunderbar und macht tatsächlich Lust auf mehr. Auch wenn „Tschiller: Off Duty“ dafür extrem oft sehr tumbe Klischees bedient.

Bis auf die Oberschurken Seker und Astan (Erdal Yildiz), die als solche wirklich überzeugen, ist die restliche Besetzung eher mau. Luna Schweiger sieht zwar nett aus, kann aber wenig auf der Leinwand, andere Frauenrollen dienen nur der Staffage und werden mit selten dummen Sätzen versehen. So dürfte „Tschiller: Off Duty“ mit Pauken und Trompeten beim Bechdel-Test durchfallen und auch dort den großen Vorbildern treu bleiben. Genau wie sein Hauptcharakter ist „Off Duty“ eben nicht mehr zeitgemäß. Unterhaltsam ist er dennoch. Zumindest, wenn niemand von ihm echte Glanzleistungen erwartet. Im Vergleich dazu, was das mitteleuropäische Kino (ja auch die Franzosen) in den letzten Jahren an Actionstreifen hervorgebracht haben, liegt Kommissar Tschiller aber noch immer eine Kugel vorn.

Fazit

Wer Schweiger(s) mag, kommt auf seine/ihre Kosten. Wer stumpfe Action mit Kopf-aus-Garantie sehen möchte ebenfalls. Fans von „Taken“ und Co, von Actionstreifen ohne Hirnschmalz und markigen Sprüchen werden zufrieden den Saal verlassen und müssen sich in keinster Weise für den Besuch schämen. Zu sehr feiern sollte „Off Duty“ aber auch niemand. Auch nicht Til Schweiger. Denn bedenkt man dabei, dass vermutlich erst in ein bis anderthalb Jahren „Tschiller: Off Duty“ auf der ARD zu sehen sein wird, so wirft dies eventuell ganz andere Fragen und Kritikpunkte auf.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 04.02.2016