Apollo 10 ½ – Ein Film, der nicht funktionieren dürfte (Filmkritik)

  

von Peter Osteried 04.04.2022

Der Film „Apollo 10 ½“ ist seit dem 1. April bei Netflix zu sehen. Hier ist unsere Kritik zum Film von Richard Linklater.

apolo 10 einhalb Film NetflixBild: Apollo 10 ½ (c) Netflix

Richard Linklater ist einer der interessantesten Regisseure unserer Zeit, der nicht nur sich, sondern auch den Zuschauer immer wieder fordert und mit Konventionen bricht. Das gilt nun auch für „Apollo 10 ½“, denn was er hier präsentiert, hätte eigentlich nicht funktionieren dürfen. Dies ist keine Coming-of-Age-Geschichte, dies ist ein nostalgischer Blick auf das Jahr 1969. Im Grunde nutzt Linklater eher einen dokumentarischen Ansatz, versieht ihn jedoch mit unglaublich viel Emotion – und das alles in Zeichentrick, wobei er wie bei „A Scanner Darkly“ auf das Rotoskopverfahren setzt, also erst real filmte, dann per Hand und mit Computer „drüberzeichnen“ ließ.

Apollo 10 ½ – Zur Handlung

Es ist das Jahr 1969. Die NASA hat ein Problem, da sie eine viel zu kleine Mondfähre gebaut hat, weswegen sie den kleinen Stan rekrutiert, um der erste Mensch auf dem Mond zu werden. Es ist ein Testlauf für die eigentliche Mondlandung – und natürlich streng geheim. Während Stan in der Kapsel sitzt, erzählt er vom Leben in einem Vorort von Houston im Jahr 1969.

Von seiner Familie, seinen Freunden, den Herausforderungen, den Freiheiten und dem immensen Spaß, den er hatte.

apolo 10 einhalb Film 003 NetflixBild: Filmszene aus Apollo 10 ½ (c) Netflix

Apollo 10 ½ – Eine Kritik

Im Original wird der erwachsene Stan, der als Erzähler fungiert, von Jack Black gesprochen. Im Deutschen hat man leider nicht auf seinen Synchronsprecher gesetzt. Der Film ist ein wundersames Werk von Richard Linklater. Bei einem großen Studio wäre er mit seiner Idee wohl abgeblitzt, denn auf dem Papier musste es wohl so aussehen, als ob dieser Film einfach nicht funktionieren könnte. Weil er weniger eine echte Geschichte erzählt, als vielmehr die Reminiszenz eines Mannes ist, der an ein besonders wichtiges Jahr seiner Kindheit denkt und uns als Zuschauer davon erzählt.

Das erinnert an die Serie „Wunderbare Jahre“, nur komprimiert auf die Länge eines Films und ohne den melodramatischen Ballast einer Coming-of-Age-Geschichte. Denn das ist „Apollo 10 ½“ genau nicht, da es für Stan keine Hindernisse gibt, die er überwinden müsste, um daran zu reifen. Vielmehr ist es eine Bestandaufnahme, getragen von Richard Linklaters eigenen Erlebnissen. Der 1960 geborene Regisseur wuchs in Houston auf und war zum Zeitpunkt der Mondlandung neun Jahre alt. Er weiß also, von was er spricht, vermengt die aufregende Zeit rund um das Wettrennen ins All aber auch mit der Jungenphantasie, selbst einer der Astronauten zu sein.

Der Film gibt ein Gefühl dafür, wie die 1960er Jahre waren. Wie Eltern und wie Kinder waren, wie das Leben aussehen konnte, wenn man nicht über jeden Aspekt der Sicherheit nachdachte. Bestes Beispiel: Die Familie fährt eine Stunde zum Strand, wobei die Kids allesamt auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks sitzen. Bei jedem noch so geringen Unfall wären wohl alle tot gewesen. Entsprechend offeriert „Apollo 10 ½“ den Blick in eine andere Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, aber dennoch bereits mit der Patina der Nostalgie bedeckt ist.

Fazit

Ein technisch, aber auch inhaltlich wundervoller Film, der fast schon dokumentarischen Charakter hat, den aber mit der stilistischen Entscheidung des Zeichentricks konterkariert. Dies ist vielleicht Richard Linklaters persönlichster Film – und er lässt die Zuschauer an seinen Erinnerungen teilhaben.

Bewertung: 5/5*****

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apolo 10 einhalb Film 002 Netflix

Bild: Filmszene aus Apollo 10 ½ (c) Netflix