„Marie Curie – Elemente der Lebens“ Filmkritik – Völlig verstrahlt

  

Comicverfilmungen stehen dieser Tage hoch im Kurs. Superhelden gehen immer. Um so düsterer, um so besser ist zum Lebensmotto für manch einen Cineasten geworden. Und wenn die Realität uns schon nicht unterhält, dann doch wenigstens unsere Fantasie. Nichtsdestoweniger denken wohl die wenigstens bei einer Filmadaption zu einem Comic an Marie Curie. Ihr wisst schon: Die polnische Chemikerin, die zusammen mit ihrem Mann, Pierre Curie, die Radioaktivität entdeckt hat. Die einzige Frau, der bisher mehrfach der Nobelpreis verliehen wurde und dies auch noch in zwei unterschiedlichen Fachgebieten.

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Und selbst wenn euch diese berühmte Dame in den Sinn kommt, dann hofft ihr doch wahrscheinlich eher auf eine interessante Darstellung und Erläuterung zu ihrem Lebenswerk und nicht auf eine romantische Anekdote zu ihrem Liebesleben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies auch nicht der Part aus dem Leben der Madame Curie ist, den diese der Nachwelt hinterlassen wollte. Und doch sind wir nun hier, bei einer Kritik zu der Verfilmung der Graphic Novel Radioactive: Marie & Pierre Curie: A Tale of Love and Fallout. Eine Geschichte, die sich teilweise um die Arbeit dieser Ausnahmeperson dreht und teilweise um ihre ganz spezielle Art zu lieben.

„Marie Curie – Elemente des Lebens“: Eine Kritik

Über die Vorlage zu diesem Film kann ich leider herzlich wenig sagen, da ich nie die Zeit gefunden habe, mir die Arbeit von Lauren Redniss anzusehen. Doch zu dem Film der Regisseurin Marjane Satrapi verliere ich gerne ein/zwei Worte. Nicht, weil es mir so sehr in den Fingern juckt, ein Werk wie dieses in der Luft zu zerreißen, sondern weil ich nach der Pressevorführung ein Gefühl schwer wie Blei im Magen hatte, dass hier unglaubliches Potenzial verschwendet wurde. Die Figuren und die Geschichte, die diese umgibt, sind durchaus interessant, wenn nicht sogar spannend, die Umsetzung kämpft jedoch an jeder Front um ihre Daseinsberechtigung.

Da wäre zum einen der Aufbau von Marie Curie – Elemente des Lebens. Der geneigte Zuschauer wird mitten in die Geschichte geworfen, hilflos wie ein neugeborenes Baby, unfähig, sich ordentlich zu orientieren. Da sind diese Personen, die anscheinend nie an ihren sozialen Fähigkeiten gefeilt haben und lediglich auf eine Weise sprechen können, dass man ihnen die Sympathie verweigern möchte. Diese Figuren, hölzern und hochgestochen wie sie sich da präsentieren, stolpern von Szene zu Szene und geben sich in jeder Minute Mühe, dem Zuschauer jegliche Chance zu entziehen, sich mit ihnen zu identifizieren.

Unterbrochen wird der Fluss, der sowieso schon wirkt, als wäre er eher ein Rinnsal, mit kleinen Ausflügen in die Zukunft, die uns die Auswirkungen von Curies Forschung verständlich machen sollen, sich aber lediglich auf eine frühe Form der Krebsbekämpfung und die Atombombe beschränken. Statt die Ereignisse zu untermalen, reißen diese Momente heraus, machen es noch ein kleines bisschen schwieriger, sich mit der Geschichte anzufreunden und ihr volle Aufmerksamkeit zu schenken. Mal ganz abgesehen davon, dass manch eine Interpretation von Curies Leben mit der Realität so viel zu tun hat, wie eine Banane mit einem Hot Dog.

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Idee ≠ Leistung

Zusammen mit den meist kurzen, abgehackt wirkenden Szenerien, zieht sich der Film wie Teer an einem heißen Sommertag und erscheint, als wäre er deutlich länger als 110 Minuten, während das Wirken der Hauptfigur auf eine Weise dargestellt wird, als wäre sie gar keine echte Person, sondern ein Charakter, den sich ein gewitzter Autor ausgedacht hat. Während die Bildeinstellungen, die Kulisse und die Kostüme allesamt durchgehend überzeugen können, bleibt der Erzählstil, der Szenenwechsel und eigentlich die komplette Handlung auf der Strecke.

Dieses Flickwerk von einem Film setzt dann auch noch auf visuelle Untermalungen, die nicht nur noch weiter aus der Handlung herausreißen, sondern auch völlig Fehl am Platz wirken. Gleichsam werden wichtige Abschnitte im Leben der Curie nur angeschnitten, mit hohem Tempo hinter sich gebracht und teilweise sogar lediglich erwähnt. Während andere, deutlich unwichtigere Momente, ausgedehnt und wie von dem Interesse des Drehbuchautors fettgefressen präsentiert werden, dem Erzählfluss aber mehr Schaden zufügen als dass sie das angepeilte Ziel auch nur annähernd treffen.

Anfang und Ende des Werks wirken wie zwei Scheiben Brot, die in irgendeiner Realität vielleicht ein Sandwich gebildet hätten, in diesem Fall aber so überzuckert und gleichzeitig bitter belegt wurden, dass sich das Ergebnis eher als Experiment entpuppt, das man sich bei Interesse lediglich gönnen sollte, wenn es keine anderen Alternativen gibt. Der richtige Ansatz mag ja absolut vorhanden sein, doch die Umsetzung wirkt so übertrieben wollend, und gleichzeitig so unmotiviert, dass ich an meine Leistungen im Sportunterricht zurückerinnert wurde.

Auf gut beschränkt, zu okay verdammt

Die Arbeit der beteiligten Darsteller darf durchaus gelobt werden ... kann man aber auch lassen. Zwar geben sich fast alle Schauspieler in diesem Werk sichtbar Mühe, doch ist das jeweilige Ergebnis von der mäßigen Ausarbeitung der Figuren im Drehbuch vorherbestimmt. Sam Riley, der den Pierre Curie verkörpert, versucht stellenweise mehr zu leisten als das Skript zulässt, scheitert aber durchgehend daran, dass sein Charakter nie zu mehr bestimmt war, als uns Marie Curie menschlicher erscheinen zu lassen.

Doch zumindest die Hauptfigur hat einige sehr starke Momente, die von Rosamund Pike teils hervorragend präsentiert werden. Die arme Schauspielerin wird nach den Dreharbeiten einen Arzt aufgesucht haben müssen, denn die Rückenschmerzen davon, den kompletten Film alleine tragen zu müssen, dürften gigantisch gewesen sein. Klingt von meiner Seite aus vielleicht arrogant, doch ich stehe dazu: Pike ist die treibende Kraft, die diesen Film, wenn überhaupt, sehenswert macht. Zusammen mit der an sich gar nicht mal so unspannenden Prämisse, zieht sie den Karren noch einmal aus den Dreck und sorgt dafür, dass ich Marie Curie – Elemente des Lebens zumindest nicht vorbehaltlos negativ kritisieren kann.

Alle anderen Schauspieler in diesem Werk sind … nun, ja, auch da. Sie spielen vielleicht gar nicht mal so schlecht, aber aufgefallen ist mir dies nicht, da ihre Rollen fast allesamt so belanglos sind wie der Film selbst.

Fazit

Die grundsätzliche Idee der Geschichte ist gar nicht mal so schlecht, doch bei der Umsetzung hapert es an allen Ecken und Enden. Der ruckelige Anfang und das schrecklich substanzlose, effekthaschende Ende sind die Extreme, zwischen denen die Story von Idee zu Idee springt, verfeinert mit noch weiteren Ideen und abgerundet mit noch ein paar mehr Ideen. All diese Einfälle lassen der Geschichte aber kaum Platz zum Atmen. Die Figuren dümpeln von Szene zu Szene und was, wenn der Abspann über die Leinwand flimmert, wie ein Kaleidoskop wirken soll, erscheint mir eher wie die ersten Malversuche eines noch sehr jungen Menschen.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 03.07.2020