Filmkritik zu "San Andreas"

  

Die Erde bebt in „San Andreas“ und Hollywood versinkt in Chaos und Zerstörung. Das liegt erwartungsgemäß zwar nicht am Auftreten (sowohl direkt als auch übertragen) von Dwayne „The Rock“ Johnson sondern an dem auf den Plakaten des Films angekündigten Erdbeben. Aber was glaubt ihr, könnte noch besser ziehen als ein Erdbeben? Richtig, zwei Erdbeben und eine Riesenflutwelle. Wer hier dann aber Fingerspitzengefühl, Dramatik und menschliches Schicksal wie in „The Impossible“ erwartet, dem sei angeraten entweder so schnell es eben geht den Kinosaal zu verlassen ohne eine Massenpanik auszulösen oder, falls möglich, sein Gehirn abzugeben. Denn ohne letzteres kann man „San Andreas“ dann doch noch den ein oder anderen Moment abgewinnen.

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Weltuntergangsstimmung

Katastrophenfilme werden im Kino, spätestens seit Roland Emmerich, nach dessen Schema und heimlicher Anbetung von göttlicher Zerstörung abgehandelt. Diese sieht üblicherweise vor, dass in langen CGI Montagen bekannte architektonische Landmarken in sich zusammenbrechen, dabei versuchsweise Bildwitz eingestreut wird, Millionen Menschen ohne Erwähnung zu finden von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen werden und eine kleine Handvoll Protagonisten der gesamten Katastrophe ohne schwere Verletzungen, Kratzer und blaue Flecken als äußerstes, entrinnt. Dabei wird noch irgendwas wichtiges für die Zukunft gelernt, meist in Bezug auf das eigene Gefühlsleben und irgendwer, der weiß wie man eine Brille tragen kann, darf mehrfach im Verlauf des Films etwas schlaues vor sich hin brabbeln, das keine 5 minütige Onlinerecherche überstehen würde. „San Andreas“ bildet von diesem Schema keinerlei Ausnahme und passt exakt in das Muster. Manchmal könnte man meinen Roland Emmerich hätte unter jungen Regisseuren eine Art finsteren Shiva-Kult in Hollywood installiert und würde diese dort in die Geheimnisse des (hoffentlich nur) filmischen Weltuntergangs einweihen.

Dass Erdbeben nun eigentlich alles andere als lustig sind hat jedoch erst kürzlich ein reales in Nepal gezeigt. Ich persönlich finde zwar Kino sollte sich von derlei Schrecklichkeiten nicht beeinträchtigen lassen, allerdings lassen sich Katastrophen eben auch mit deutlich mehr Feingefühl erheblich dramatischer darstellen. „The Impossible“ war dahingehend der jüngste Beweis. Von der Katastrophe in Nepal nun ist „San Andreas“ verschont geblieben, einzig das Design einiger Werbeträger musste dran glauben. Bei der im Film zum Tragen kommenden Intelligenz allerdings wäre Feingefühl sicher auch nicht zu erwarten gewesen.

Eine handvoll Überlebender

Auf Seiten der illustren Mischung zu erwartender und weniger zu erwartenden Helden gibt sich „San Andreas“ dann auch gar nicht so wirklich viel Mühe. Zum einen haben wir dort Ray (Dwayne „The Rock“ Johnson). Der hulkhafte, heldenhafte Helikopterpilot hat nach langer Dienstzeit in Afghanistan ein eher ruhiges Betätigungsfeld gesucht und fliegt nun, völlig frei von Kugelhagel, Rettungsmissionen in Los Angeles. Ihm nicht mehr ganz und bald gar nicht mehr zur Seite steht seine zukünftige Ex-Frau Emma (Carla Gugino). Die hatte nämlich keine Lust mehr auf den Adrenalinjunkie Ray, da der eh nie zu Hause war und hat sich statt dessen den superreichen Bauunternehmer Daniel (Ioan Gruffudd) geschnappt. Ob der jetzt mehr Zeit hat sei mal so dahingestellt, denn immerhin lässt dieser zufälligerweise grade das höchste und stabilste (wer's glaubt) Hochhaus in ganz San Francisco bauen. Aus der einst harmonischen Ehe von Ray und Emma ist Blake (Alexandra Daddario) entsprungen, die in Daniles Privatjet gen Bay Area fliegt und an Bord den süßen Briten Ben (Hugh Johnstone-Burt) und seinen weniger süßen, dafür umso nervigeren kleinen Bruder Ollie (Art Parkinson) kennenlernt. Fehlt noch wer? Wieder richtig, denn zur selben Zeit flitzt der ständig unverständliche Fachausdrücke, gemischt mit völligem Unsinn und Genuschel brabbelnde Seismologe Lawrence (Paul Giamatti) nach Nevada um dort eine Reihe von Minierdbeben zu studieren. Von diesen erhofft er sich die nötigen Daten um zukünftige Erdbeben (hat angeblich irgendetwas mit magnetischen Wellen zu tun, aber genaueres wird auch nicht geklärt) hervorzusagen. Bevor diese tolle Errungenschaft, die den filmischen Bewohnern von Kalifornien eine Menge Leid und Tot erspart hätte, zerlegt plötzlich ein Beben den Hoover Damm. Um eventuelle weitere Schäden (wie die durch Nachbeben) zu minimieren, reist eilig nach Pasadena, nur um dort festzustellen, dass der dem Film seinen Namen gebende San Andreas Graben ein wirklich dickes Ding raushaut.

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Bildungsfernsehen

Wissenschaft zieht nun halt äußert wenig Menschen in Kinosäle und Regisseur Brad Peyton versucht (Cats & Dogs 2, Journey 2) deswegen diese möglich klein zu halten. Statt dessen müssen die versammelten Charaktere einer Menge umherwirbelnder Teile ausweichen und noch mehr schreien. Peyton setzt dabei nicht nur auf die Vernichtung in großem Maßstab aus den Rechnern der CGI Abteilung, sondern erlaubt uns auch immer wieder einen Ausblick auf das direkte Geschehen um die Helden in den Epizentren der Zerstörung. In diesen Augenblicken kann „San Andreas“ auch wirklich punkten, denn sie wirken weit weniger aufgesetzt als der Rest des Films und wissen trotz des absehbaren Endergebnisses Dramatik aufzubauen. Hierbei ergibt sich dann auch ein kleiner Moment für Fans der Statistik. Da „San Andreas“ teilweise in Australien gedreht wurde, hat Popstar Kylie Minogue einen kurzen Auftritt, der wie in „Holy Motors“ mit einem sehr prompten Abtritt endet.

Nach der ersten Stunde Zerstörungswut verliert „San Andreas“ dann allerdings erheblich an Geschwindigkeit. Ein wenig wie ein großes grünes Monstrum, dass sich nach neuen Häusern zum Zerkoppen umschaut. Bis zum Ende jedoch finden sich dafür wenige Kandidaten, statt dessen wird sich auf das Gefühlsleben der Protagonisten konzetriert.

Alexandra Daddario auf der einen Seite schafft das auch ganz ansehnlich, Dwayne „The Rock“ Johnson als Hauptattraktion auf der anderen Seite ist zwar eine Actionheld im wahrhaft stalloneschen Sinne, kann aber auf schauspielerischer Basis am ehesten damit glänzen seine rechte Augenbraue zu erheben und auf das Chaos um ihn herum herabzublicken.

Fazit

Es weht ein starker Hauch von B-Film durch „San Andreas“ und entsprechend weit unten sind die Erwartungen einzusortieren. Wer bei „2012“ schon am liebsten die Leinwand mit Popcorn beworfen hätte, dem sei Fernbleiben angeraten. Wer sich hingegen bei Smashhits wie „The Core“ herzlichst amüsieren konnte, ist in „San Andreas“ bestens aufgehoben. Fragen wie „Warum verliert Blake zwar nie Blut, dafür aber immer wieder Kleidungsstücke“ oder „wie ist es möglich sich zu verlaufen, wenn das Ziel doch sichtbar vor einem liegt“ sind auch dabei allerdings ganz weit hinten anzustellen.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 27.05.2015

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