Filmkritik zu "The Voices"

  

Ryan Reynolds hat derzeit einen kleinen Lauf. Es war ein wenig still um ihn geworden, besonders nach dem exorbitanten Flop von „Green Lantern“. Comicfans werden ihm diesen Missgriff sicherlich nicht allzu bald verzeihen, ist doch vermutlich die grüne Laterne auch noch für die nächsten Jahre erloschen. Allerdings klettert der Frauenschwarm Reynolds nun langsam aber sehr beständig mit gerichteter Krone die Leiter wieder herauf. Schaden ist daran nur, dass seine derzeitigen Leistungen sicher nicht jeden erreichen. Das gilt für den im letzten Jahr erschienen „The Captive — Spurlos verschwunden“, dem im Januar auf dem Sundance Festival präsentierten „Mississippi Grind“ und dem nun erscheinenden „The Voices“.

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Aufstehen, Krone richten, weiter machen

Mit seiner Rollenwahl macht Ryan Reynolds schon einmal sehr deutlich, dass es ihm weniger um dicke Schecks und schnelle Kohle geht, sondern dass er die Renaissance seiner Karriere ernst nimmt. Auch Abkürzungen auf kurzlebigen Starruhm vermisst man (bisher) unter den neuen Filmen mit dem Hollywood-Schönling. Zugegeben fällt es aber auch wirklich schwer einem Typen wie Ryan Reynolds wirklich böse zu sein. Er hat einfach zu viel von diesem „Der nette Typ von Nebenan“ Charme. Und genau diesen schlachtet er in Marjane Satrapis (Persepolis, Huhn mit Pflaumen) „The Voices“ geschickt aus und paart das allem mit einem wunderbaren naiv-dümmlichen Charakter, hinter dem der finstere Abgrund unausweichlichen Wahnsinns lauert. Denn „The Voices“ ist ein rabenschwarze Komödie über einen Mann, der mit seinem Hund und seiner Katze redet. Und die ihm antworten. Gute Ratgeber allerdings sehen wirklich anders aus. Nichts gegen Hunde, noch weniger gegen Katzen, denn die scheinen echt gemeiner zu sein, als bisher bekannt war.

„Some pills make you larger, some pills make you small“

Schon durch die Eröffnung von „The Voices“ weht ein Hauch von Joel und Ethan Coen. Alles erinnert nicht von ungefähr an ihre Sicht auf us-amerikanisches Kleinstädtigkeit. In diesem Ort, der gut in der unmittelbaren Nachbarschaft von „Fargo“ liegen könnte, wohnt der unerschütterliche Optimist Jerry (Ryan Reynolds). Dieser freundlich grinsende junge Mann arbeitet in der örtlichen Spielzeugfabrik. Ein fröhlicher Ort, an dem alle Arbeiter pinke Uniformen tragen. Der achso freudige Jerry wird dann auch direkt mal mit der Aufgabe (als eine Art Belohnung) betraut, eine Büroparty zu planen. In diese Aufgabe stürzt er sich (natürlich) auch mit vollem Einsatz. Nach einem langen Arbeitstag aber kehrt Jerry mit dem Zuschauer im Gepäck in seine trauten vier Wände zurück. Die sind dann schon wesentlich bessere Tage gesehen und der Protagonist wird dort von seinem zynischen Kater Mr. Whiskers in Empfang genommen, der ihn bitterböse darauf hinweist, dass sein Chef ihn bisher nur nicht entlassen habe, weil sein trauriges Rumgehampel diesen belustigen würde. Ab diesem Moment wird offenbar, dass Satrapi ihrer Zuschauer mit auf eine Reise in die Abgründe menschlicher Seelen und deren mörderische Absichten nimmt — alles verborgen hinter den Fassaden von freundlich lächelnden und immer gute gelaunten Mitgliedern unserer Leistungsgesellschaft.

Engel links, Teufel rechts

Denn in Jerrys Leben ist alles alles andere als schön und pink. Jerry muss Tabletten nehmen um zu funktionieren. Das zumindest sagt ein Gerichtsurteil und Frau Doktor Warren (eine leider viel zu gering eingesetzte Jacki Weaver). Ohne seine Anti-Psychotica redet Jerry mit seinen Haustieren Mr. Whiskers (dem gemeinen Kater) und dem Hund Bosco. Wo Mr. Whiskers im wahrsten Sinne des Wortes den Teufel auf der Schulter repräsentiert, ist Bosco die treue Seele, die ihren Herrn (Jerry) bedingungslos unterstützt. Zusammen alles andere als hilfreich für Jerrry. Beides aber bravourös von Ryan Reynolds selber gesprochen, was der ganzen Performance noch eine weitere, sehr schöne Note verleiht.

Die Geschichte beginnt, ausgelöst durch das nicht abgesprochene Absetzen der Medikamente, dann bereits recht schnell zu eskalieren in dem sich Jerry eine Frau ins Haus holt. Allerdings anders als der Zuschauer erwarten würde und Jerry sich vorgestellt hat. Denn obwohl Jerry nur den Kopf seiner Kollegin Fiona (Gemma Arterton) behält, ist das für diese noch lange keinen Grund den Mund zu halten. Es muss also Gesellschaft in Jerry Kühlschrank, seine große Liebe langweilt sich dort nämlich furchtbar. Mr. Whiskers hält das natürlich für eine hervorragende Idee.

Das alles ist ganz offensichtlich Wahnsinn in einem sehr weit fortgeschrittenen Zustand. Im weiteren Verlauf allerdings kommt es zu einer der besten Szenen von „The Voices“. Jerry, völlig resigniert, beugt sich dem Druck auf ihn und um weitere Todesfälle zu verhindern, nimmt er die verschriebenen Medikamente. Unter Einfluss dieser aber erwacht er in einer Welt, die einfach, selbst für einen unerschütterlichen Optimisten, nicht zu ertragen ist. Seine Haustiere sprechen nicht mehr mit ihm, er hat keine Freunde und der verwesende Kopf von Fiona in seinem Kühlschrank ist kein Ersatz für das heile Haupt der Schönheit in seinem Wahnsinn. „The Voices“ handelt eben von einem Mann, der wirklich nicht zurückblicken kann, zumindest nicht weiter als bis zum Ableben seiner Mutter. Mit der Realität konfrontiert würde er vollends verrückt werden. Hat man einem Haustiere, die einem antworten geht es halt nur noch nach vorne.

Hinter der Maske des Wahnsinns

Genau das ist es auch, was Ryan Reynolds als Jerry umsetzt und einfängt. Er spielt einen Mann, der auf einen Pfad aus Tot und Gewalt geschickt wird, durch Kräfte und Umstände, die er nicht kontrollieren kann. Er spielt einen Serienmörder, der doch nur menschliche Nähe, Glück und Freundschaft in seinem Leben möchte. Die Freude in Reynolds Augen, wenn ihm diese durch seine Kollegin Lisa (die zur Zeit allgegenwärtige und wunderbare Anna Kendrick) dargebracht wird, ist der wahre Schlüssel zu seinem Schauspiel eines Wahnsinnigen. Denn anstatt sich auf eben jenen zu fokussieren, bekommt Jerry durch den gewählten Ansatz ein sehr viel deutlicheres und eben einzigartiges Format. Reynolds ist halt der nette Typ. Der gut aussieht, aber furchtbar naiv ist. Bis zu dem Punkt, dass er nervt. Was ungewollte, aber dennoch blutige Konsequenzen haben kann. Obendrein ist „The Voices“ einfach ein wunderbarer Blick auf einen Typen, der mit seinen Haustieren redet. In diesem Belang einfach ein wirklich hervorragendes Werk. Leider schafft es Satrapi es in Finale nicht sich wie im davor liegenden Film mit ihrem Publikum zu verbinden. Zu sehr setzt sie hier auf die Darstellung und zu wenig auf die Climax des Films. Es hat beinah den Anschein, als habe sie Probleme damit die dunklen Züge in Jerry dem unausweichlichen Ende zuzuführen. Gleichfalls hinderlich ist die nach und nach entblätterte Hintergrundgeschichte um Jerrys Wahnsinn. Dieser würde deutlich stärker ziehen, hätte er weniger Familientradiation.

Fazit

„The Voices“ ist einer der Filme, die viel zu kurz kommen. Natürlich ist nicht alles perfekt, aber erzählerisch und schauspielerisch liegt er noch immer weit über dem, was sonst so auf den Leinwänden zu sehen ist. Wer mit schwarzen Humor leben kann wird sich gut in „The Voices“ aufgehoben fühlen. Wer solchen liebt, Lust auf einen einzigartigen Serienmöder oder eben Ryan Reynolds hat, wird sehr zufrieden gestellt werden.

Bewertung: 4 von 5 möglichen Sternen.****

Filmkritik von Julius, 24.03.2015

Mehr Informationen zu "The Voices"

Deutscher Kinostart zu "The Voices" ist leider erst am 30.04.2015. Neben unserer Filmkritik findet ihr aber in den nächsten Tagen eine Info zum Film in unserer Film-Vorschau. Einen ziemlich lustigen Clip zu The Voices findet ihr hier.