„Ready Player One“ Filmkritik — Steven spielt Commodore

  

Die lebende Regie-Legende Steven Spielberg („Der Soldat James Ryan“, Jurassic Park“, „Bridge of Spies“) ist noch bis 2021 ausgebucht. Der Mann hat Ideen, will „West Side Story“ neu auflegen, „Indiana Jones“ in die fünfte Runde schicken und eine neue Version der verrückten Serie „Freakazoid!“ umsetzen. 2018 startet er jedoch erst einmal mit „Ready Player One“ durch, der ersten Verfilmung des gleichnamigen Science-Fiction-Romans von Ernest Cline aus dem Jahr 2010.

ready player one header US

Press Start — Zur Handlung

Im Jahr 2045 hat sich das Gesicht der Welt grundlegend verändert. Der Planet ist überbevölkert, es gibt nichts mehr zu entdecken. Also leben die Menschen hauptsächlich in einer virtuellen Realität, der OASIS; einem globalen Videospiel, erfunden von dem exzentrischen Programmierer und Web-Designer James Halliday (Mark Rylance). Als dieser stirbt, wird automatisch ein Video von ihm veröffentlicht, welches eine Schnitzeljagd von nie gesehenen Ausmaß auslöst.

Irgendwo in dieser künstlichen Welt wurde ein Easter-Egg eingebaut, ein Objekt, welches in seinen Grundfesten lediglich der Unterhaltung des Users dienlich sein sollte, doch in diesem Fall viel weitreichendere Folgen hat. Wer die Aufgaben des Meisters löst, wird die komplette Kontrolle über die OASIS übernehmen, quasi ein virtueller Gott werden. Da die Wirtschaft der Menschheit hauptsächlich in dieser Realität stattfindet, gibt es mächtige Geschäftsleute, die diese Position für sich beanspruchen wollen.

Doch es gibt auch Spieler, die lediglich verhindern wollen, dass ihr Lieblingsort zu einer einfachen Geschäftsidee degradiert wird. Easter-Egg-Jäger wie Hauptfigur Wade Watts (Tye Sheridan) oder die Revolutionskämpferin Ar3emis (Olivia Cooke) versuchen sich an den Herausforderungen, um die OASIS vor Leuten wie Konzernchef Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn) zu beschützen. Die Kids haben die richtige Spur, doch ihre Feinde haben die Mittel und Mitarbeiter …

Ready-Player-One

Erzählerisch schwach

In einer typisch dystopischen Zukunft wirkt die fantastische Welt der OASIS als krasser Kontrast zum Leid und Elend der Realität, welche in „Ready Player One“ eine untergeordnete Rolle spielt, jedoch große Teile zur Harmonie der Geschichte beiträgt. Gerade diese Art der Zukunftsdeutung wirkt für einen Freund von Videospielen sehr viel realer, deutlich wahrscheinlicher, als manch anderer Blick in eine scheinbare Realität der nächsten Jahrzehnte.

Nicht nur das Konzept der OASIS selbst präsentiert sich äußerst realistisch, auch die Art, wie diese genutzt wird, beziehungsweise werden soll, erinnert bereits jetzt an die Vorgehensweisen großer Produktionsstudios. Es fällt leicht, das Gesehene zu akzeptieren, da es trotz seiner fantastischen Prämisse nicht sonderlich von dem entfernt ist, was wir als wahrscheinlich einstufen können. Das reine Konzept von „Ready Player One“ sucht seinesgleichen.

Das große Problem an diesem Werk ist also nicht die grundsätzliche Idee, nicht einmal ihre Form der Darstellung, sondern schlichtweg der Erzählstil, welcher starke Schwächen aufweist. Trotz einer Spiellänge von knapp zweieinhalb Stunden wirkt der Handlungsverlauf gehetzt, die Motivation/Handlungen der Figuren unverständlich, beinahe zusammenhanglos. „Ready Player One“ zieht sich stellenweise in die Länge, ohne diese Leerläufe zum Ausbau der Charaktere zu nutzen.

Was entsteht, ist abermals bloßes Popcornkino, welches sich zwar visuell wie inhaltlich stark von der Konkurrenz abhebt, abseits davon jedoch nicht besser oder schlechter ausgearbeitet wurde als ein „Maze Runner“ oder „Die Tribute von Panem“. Die Konzentration, der gesamte Fokus, liegt deutlich auf der Welt und der Ereignisse, welche sich in ihr abspielen. Das Menschliche, gleichsam der komplette Verlauf der Geschichte, bleibt dabei zurück, macht das Werk von Spielberg zu einem anspruchslosen Zeitvertreib.

Optisch beeindruckend

Ganz im Gegenteil zur Welt und ihrer Darstellung selbst. Diese Buchverfilmung sieht nicht nur stark aus, es darf fast vermutet werden, sie entsprang einem kurzen Blick in die tatsächliche Zukunft. Die Details und die Ideen, welche in die Verwirklichung und visuelle Präsentation der OASIS gesteckt wurden, sind schlichtweg fantastisch, von großer Liebe zum kleinsten Teilchen gezeichnet.

Gerade die actiongeladenen Sequenzen reißen den geneigten Zuschauer fast schon mit, entführen ihn direkt in die Spielwelt und lassen ihn Teil des Ganzen sein. Die Illusion, die programmierte Wirklichkeit, ist stets als solche zu erkennen, jedoch so nah an den modernen Visionen der Zukunft angelegt, dass wir uns diesem Schein gerne hingeben.

Hauptsächlich ist „Ready Player One“ nichtsdestoweniger ein Film für Zocker, Gamer, Videospiel-Nerds. Natürlich gibt es reichlich Anspielungen und Referenzen zu anderen Formen von Popkultur, jedoch liegt der Fokus auf pixelbasierten Herausforderungen, welchen sich manch einer von uns bereits seit den späten 1980er Jahren hingibt. Auch hier macht der Film von Steven Spielberg wenig falsch, kitzelt den Fan an der richtigen Stelle, lockt an beinahe jeder Ecke mit Nostalgie.

Ausgearbeitete Figuren?

Die Frage dieser Zwischenüberschrift lässt sich leider nur mit einem halbgaren ‚njein‘ beantworten. Zwar sind die Charaktere des Films oberflächlich nett gestaltet, doch beherbergen diese keinerlei Tiefe, keine persönlickeitsbezogene Vielfalt. Sowohl die Liebesbeziehung zwischen Protagonist und Ar3emis als auch der gewollte Kontrast zwischen dem bösen, profitorientierten Unternehmen und dem genialen Visionär und Weltverbesserer Halliday bleibt im Ansatz stecken.

Der widerliche Antagonist bildet hier eine erfrischende Ausnahme, lassen sich an ihm doch deutlich mehr Ansätze finden, die auf eine komplexere Persönlichkeit schließen lassen. Gleiches gilt dann leider nur noch für den Humor, welcher mal gewollt treffsicher und dann wieder unerwartet komisch daherkommt. Coole Sprüche sowie lässiges Verhalten Hand in Hand mit einer ordentlichen Portion Situationskomik. Funktioniert immer, hier sogar besonders gut.

Schauspielerisch arbeitet das gesamte Team auf einem durchgängig überdurchschnittlichen Niveau, sowohl in virtueller Form, aber auch als echte Menschen in der realen Welt. Trotz seiner geringen Zeit auf dem Bildschirm, hebt sich Mark Rylance („Dunkirk“, „BFG — Big Friendly Giant“, „Blitz — Cop-Killer vs. Killer-Cop“) hier trotzdem von der breiten Masse ab, macht seine leider nur angeschnittene Figur zu einem interessanten Zeitgenossen, über den manch einer gerne mehr erfahren würde.

Fazit

Was einer der besten Abenteuerfilme dieses Jahres hätte werden können, entpuppt sich im Endeffekt als klassische Jugendbuchverfilmung, wie wir sie in den letzten Jahren bereits zur Genüge zu sehen bekamen. Unterhaltsam, mit vielen mehr oder weniger guten Anspielungen auf vergangene und aktuelle Popkultur. Visuell schick, erzählerisch nichtsdestoweniger lauwarmer Durchschnitt. Fans von Videospielen und Mitgliedern der Videospielindustrie im Speziellen herzlichst zu empfehlen, abseits dieser Zielgruppe jedoch bloßes Popcornkino.

Kinostart ist am 05. April 2018.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 31.03.2018