Filmkritik zu Dope

  

„Dope“ eröffnet mit einer eingeblendeten Definition. In den meisten Fällen ist dies das übliche Merkmal von Satiren, denen es über die eigene Laufzeit gelingt an ihrer eigenen, satirischen Vision zu scheitern. In einer Art von selbsterfüllender Prophezeiung blenden sie zum Beginn die Definition von „Satire“ ein. Bei „Dope“ aber wird auf Nummer Sicher gegangen und Webster's Definition benutzt. Somit definiert sich „Dope“ als Slang für einen Idioten, Drogen und Etwas, das cool ist. Bis zum Abspann präsentiert „Dope“ amtliche Beispiele für alle drei Erklärungen und wechselt mit erstaunlicher Sprungbereitschaft zwischen absoluter Dümmlichkeit und überraschender Punktgenauigkeit.

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Ab dem 28.01.2016 im Kino: "Dope"

Musikalische Expertisen

In „Dope“ stellt uns ein Erzähler (Produzent Forrest Whitaker) Malcolm (Shameik Moore) und seinen Freunden Jib (Tony Revolori aus „The Grand Budapest Hotel”) und Diggy (Kiersey Clemons) vor. Er berichtet uns, dass sie auf Krempel stehen, auf den sonst nur die weißen Kids stehen, wie gute Noten und aufs College zu gehen (seine Worte). Einser-Schüler Malcolm träumt von Harvard, sein Beratungslehrer aber nimmt es ihm nicht ab, dies auch wirklich ernst zu meinen. Grund dafür ist Malcolms Essay: eine Dissertation zu Ice Cubes „Today Was a Good Day“.

Malcolm und seine hipsterige Strebergang haben eine Punkband, deren Songs ohrwurmverdächtige Liedchen von Produzent Pharrell Williams sind. Ironischerweise steht das Trio ansonsten übrigens nur auf Hip-Hop aus den letzten Metern der goldenen Ära und könnte von Mr. Williams kaum weiter entfernt sein. Musikalisch bleibt „Dope“ dieser Ansage bis zum letzten Namen in den Credits treu und präsentiert eine der hervorragendsten Sammlungen an 90er Rap — und stellt sich dadurch als deutlich glaubwürdiger auf, als sein Hauptcharakter. Denn der Held ist einer dieser Klugscheißer, der steif und fest behauptet Eric B. und Rakim’ 1986er Meisterwerk „Paid In Full” wäre in den 90er erschienen. Zum Glück pfeift ihn im Verlauf des Films jemand genau deswegen zusammen, geht halt auch gar nicht klar, die besten Tage des goldenen Zeitalters eines Volltreffers zu berauben, nur um mit diesem die glanzlosen letzten Tage des Golden-Age in den gräulichen 90ern aufzuwerten.

„Dope“ kann Spuren von Klischees enthalten

Aber wir kommen vom Thema ab. Alle drei leben in Inglewood, genauer gesagt in einem Teil des bekannten Viertels mit Namen „The Bottoms“. Wenn Regisseur/Drehbuchautor Rick Famuyiwa Malcolms Hood vorstellt, dann zeigt „Dope“ zum ersten Mal Suchtpotential. Minutiös beschreibt er die tägliche Reise des Helden durch die Nachbarschaft und wie er welchen Hindernissen ausweichen muss. Famuyiwa hat Inglewood bereits für seinen sehr zu empfehlenden Streifen „The Wood“ 1999 als Kulisse verwendet und verfügt auf Grund seiner eigenen Herkunft über ein immenses Wissen diese Gegend betreffend. Seine Art über Malcolm und seine Nachbarschaft zu sprechen, machen deutlich, wie sehr sich Autor und Regisseur Famuyiwa in den eigenen Protagonisten versetzen kann und wie tief er noch immer in seiner alten Heimat verwurzelt ist.

Tatsächlich wären die täglichen Abenteuer von Malcolm, Jib und Diggy sicherlich genug an Inhalt für einen hervorragenden Film, aber „Dope“ führt die Handlung in Drogen und Gewalt ein. Inhaltlich etwas, dass Malcolm wohl aus jedem „Hood“-Streifer der von ihm so vergötterten 90er kennt. Es finden sich in „Dope“ Spuren von Hype Williams „Belly”, Reginald Hudlins „House Party”, „Boyz N The Hood” und Konsorten. „Dope“ nun wendet sich bisweilen satirisch diesen Filmen zu, betet sie in der nächsten Minute bis zum Fetischismus an, baut sich als Hommage an sie auf, nur um sie einen Augenblick später dreist zu kopieren. Für einen Film, den der Verleiher als Komödie verkaufen will, ergeht sich „Dope“ zudem zu sehr in Sachen Gewalt. Menschen werden ziemlich blutig Opfer verirrter Kugeln und liegt mit einer blutigen GameBoy-Einstellung extrem weit neben dem eigenen Humor. Passt zum „Hood“-Thema, ist aber sicher nicht sonderlich komisch.

Als Zusätze: interessante Charaktere

„Dope“ streckt die eigene Drogengeschichte mit einer eskalierenden Reihe von Hindernissen im Stil von Scorseses „Die Zeit nach Mitternacht“. Alles fängt halbwegs unschuldig damit an, dass der Dealer Dom (A$ap Rocky in einer sehr guten Rolle) Malcolm dazu bringt sich als Amor zwischen ihm und Nakia (Zoe Kravitz, die eine perfekte Imitation ihrer Mutter Lisa Bonet abliefert) zu verdingen. Nakia nimmt via Malcolm Doms Einladung zu einer Party an, aber Malcolms eigenes Interesse an Nakia könnte ihn problemlos eine Kugel einbringen, denn Malcolm taucht mit seiner Entourage selber auf der Party auf um Zeit mit Nakia zu verbringen. Hinter den Kulissen der Feier aber läuft ein Deal aus dem Ruder und Malcolm findet plötzlich eine nicht unwesenliche Menge Molly in seinem Rucksack.

Zum Glück hat er Jib und Diggy dabei, die sich als mehr als nur verlässliche Mitstreiter erweisen. Sie bleiben an seiner Seite, wenn der originäre Plan die MDMA-gefüllten Beutel zu entsorgen schief geht und Malcolm sich durch Doms Mentor zum Verkauf der Amphetamine genötigt sieht. Dabei läuft das Trio einer schicken Versammlung stereotyper Charaktere über den Weg, die „Dope“ mit viel Genuss durch den Kakao zieht: von dem Typen, der bei jeder Nachrichtencrew im Angesicht eines örtliche Verbrechens eine Aussage abliefert, bis hin zu weißen Hacker, der sich darüber mokiert das „N-Word“ nicht benutzen zu dürfen (Diggy verpasst ihm bei jedem Versuch eine), obwohl es jeder andere Charakter geschätzte 200 Mal raus haut.

Ein echtes Highlight ist Doms Chef (und eine für Malcolm ganz persönlich nicht unwichtige Person). Gespielt wird dieser von Roger Guenveur Smith (einem typischen Spike Lee Kollaborateur). Smith hat diese einmalige Art zu sprechen, durch die jedes seiner Worte nach Bedrohung klingt, die Stimme aber zeitlich immer sanft und ruhig bleibt. Das Konzept seines Charakters ist dann allerdings wieder einer dieser „Dope“-Tiefpunkte.

Fazit

Wenn man nicht grade eine Problem mit Hip-Hop und Rap hat, ist „Dope“ ein wunderschön anzuguckender und anzuhörender Film. Leider hat er ein paar Stellen, die den Kopf zum Schütteln bringen, gleicht diese aber immer wieder mit viel Gefühl und hohem Entertainment-Wert aus. Eben wie eine etwas chaotische Party in einem der „gefährlicheren“ Viertel der Stadt: ein paar Mal gibt’s Stress, die Drinks haben eventuell nicht gewünschte Zusätze, aber die Stimmung ist großartig und am Ende hat man was zu erzählen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 27.01.2016