"Dumbo" Filmkritik - Modern = besser?

Wenn jemand das Spiel mit der Nostalgie beherrscht, dann ist es Disney. Sie nutzen ihre Filmklassiker nicht nur, um Fans von damals erneut zur Kasse zu bitten, nein, sie schaffen es auch noch, die Neuinterpretationen so der Moderne anzupassen, dass diese ihnen eine neue Generation von Jüngern einbringen. Bei manchen Werken, wie "Die Schöne und das Biest", sind lediglich ein paar Änderungen im Detail notwendig, um diesen Effekt zu erzielen.

dumbo Kinostart header DE

Andere Remakes verlangen hingegen etwas größeren Aufwand, damit sie mit den Erwartungen und dem Standard der heutigen Zeit mithalten können. "Dumbo" aus dem Jahr 1941 beispielsweise, würde heute, in seiner ursprünglichen Form, wahrscheinlich aus diversen Gründen nicht mehr funktionieren. Die Art des Films selbst wirkt eingestaubt, die gezeigten Elemente wenig zeitgemäß und für wahr, einige Inhalte dürften der modernen Moral kaum noch entsprechen.

So hat die 2019er-Version, unter der Regie von Tim Burton ("Sleepy Hollow", Sweeney Todd", "Corpse Bride"), nur noch die grundlegende Geschichte mit dem Original gemein. Abseits davon, dass Dumbo ein Elefant mit viel zu großen Ohren ist, der fliegen kann und in einem Zirkus lebt, hat sich fast alles geändert. Hier und dort sind einige Szenen und Eckpfeiler der Story erhalten geblieben, sie bilden jedoch eher die Ausnahme als die Regel und dienen fast immer ausschließlich als Anspielungen auf den Vorgänger.

Ich sagte: Nicht singen!

"Dumbo" ist sehr viel näher an der Realität angelehnt und darf ungestraft als einigermaßen bodenständig bezeichnet werden. Die Tiere können nicht mehr sprechen, geschweige denn singen. Generell wird in dieser Filmversion auf musikalische Nummern (fast) vollständig verzichtet. Stattdessen dreht sich die Story, abseits von Dumbo selbst, um den Familienvater Holt Farrier (Colin Farrell) und seine beiden Kinder, die sich im Zirkus der Medici-Brüder um den optisch merkwürdigen Elefanten kümmern.

Diese Drei sind Dreh- und Angelpunkt der Handlung und diejenigen, die das Potenzial des kleinen Kerlchens entdecken, damit die Geschichte voran treiben. Sie sind es, die herhalten müssen, um nicht nur eine Liebesgeschichte mit in das Geschehen einzuflechten, sondern ebenfalls moralische Statements an das Kinopublikum zu richten. Und sie sind es auch, die immer wieder darauf hinweisen, dass Mädchen alles erreichen können, was sie sich zum Ziel setzen.

Nichts davon ist in irgendeiner Form negativ, über den Mehrwert für die Geschichte lässt sich jedoch streiten. In erster Linie sind einige Szenen, die damit zusammenhängen, leider völlig sinnlos und nichts weiter, als bessere Platzhalter. Lediglich eingebaut, um es so vielen potenziellen Kinogängern wie nur möglich recht zu machen. Dadurch wirkt "Dumbo" mit fast zwei Stunden nicht nur etwas zu lang, sondern ebenfalls so, als sei Friede, Freude und Eierkuchen wichtiger, als eine funktionierende Handlung.

Versteht mich nicht falsch. Der Film ist relativ gut, erlaubt sich abseits der eben erwähnten Elemente kaum Fehltritte ... Doch um so ärgerlicher ist es dann, wenn er mit unnötigem Firlefanz vom eigentlichen Plot ablenkt und teilweise wichtig erscheinende Details in den Schatten verdrängt. Aus einem Familienfilm, den auch Erwachsene genießen können, wird so schnell ein reiner Kinderfilm.

DisneysDumbo

So süß, es tut schon weh

Die technischen Aspekte des Films müssen gar nicht weiter besprochen werden, hat Disney in diesem Werk doch nur so mit dem Geld um sich geworfen. Entsprechend sieht alles fantastisch aus und lässt nur bei genauester Betrachtung und wirklich übertrieben hohen Ansprüchen Platz zum Meckern. Wenn überhaupt, sind sie an mancher Stelle sogar etwas über das Ziel hinaus geschossen.

Der namensgebende Elefant zum Beispiel, sieht so unglaublich zuckersüß aus, dass sein Anblick Zahnschmerzen verursachen kann. Mit der Realität hat dies natürlich wenig zu tun, aber herrje, es handelt sich schließlich auch um einen fliegenden Dickhäuter, wo also die Grenze ziehen? Wer für diese Art der Unterhaltung ein schlagendes Herz hat, wird damit bestimmt kein Problem bekommen. Doch dieses Herz solltet ihr auch haben, denn Tim Burtons "Dumbo" setzt auf das Spiel mit der Tränendrüse.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist der Antagonist. Michael Keaton ("Batman", "Spotlight", "Birdman") geht in der Rolle des Freizeitparkbesitzers V.A. Vandevere zwar sichtlich auf, ist aber eher ein Abziehbildchen von einem Cartoon-Bösewicht, als eine bedrohliche Figur. Selbst der kleine, böse Magier im Glücksbärchi-Film hat mich mehr erschreckt, als dieser einfach nur fiese Fiesling mit der charakterlichen Tiefe eines Teelöffels.

Ob es sich bei dessen Freizeitanlage und seiner Person selbst nun wirklich um eine Anspielung auf Walt Disney handelt und als Seitenhieb von Tim Burton zu verstehen ist, kann ich an dieser Stelle nicht sagen. Doch tut es der Qualität des Gesehenen weder einen Abbruch, noch verschafft es ihr in irgendeiner Form einen Anstieg. Die einzige Figur, die es im Original nicht gab und hier für selbigen, also einen Anstieg der Qualität, sorgt, ist Eva Green ("Casino Royale", "Penny Dreadful", "Perfect Sense") in der Rolle der Colette Marchant.

Begnadete Kids

Wo wir schon einmal bei den Akteuren sind, nutze ich die Zeit und hebe einige davon lobend hervor. Zwar hatten nicht alle die Chance, ihr Talent wirklich zu zeigen - so wie Keaton, der vom Drehbuch einfach im Stich gelassen wurde -, doch ändert das nichts daran, dass sie eine gute Performance zum Besten geben. Wie zum Beispiel das Nachwuchstalent Nico Parker, welche Töchterchen Milly Farrier spielt.

Oder auch Danny DeVito ("Der Mondmann", "Schnappt Shorty", Der Rosenkrieg"), der zwar an manch einer Stelle etwas verloren dreinschaut, die Rolle des Zirkusbesitzers Max Medici jedoch mit solcher Leidenschaft spielt, dass ihm der eine oder andere glasige Blick in weite Ferne verziehen sei. Und natürlich Colin Farrell ("7 Psychos", "Saving Mr. Banks", "True Detective"), der als alleinerziehender Papa wieder so herrlich hilflos wie liebenswert ist, dass er kaum Ansatzpunkte für negative Kritik lässt.

Fazit

Lyncht mich, wenn ihr müsst, aber ich schätze die Neuinterpretation als den besseren Film ein. Das Fehlen von Gesang und sprechenden Tieren und die Einführung einer umfangreicheren Geschichte hat dem Werk sichtlich gut getan. Doch gibt es auch starke Abzüge in der B-Note, da es die Schöpfer zu ernst damit genommen haben, es so vielen Zuschauern wie nur möglich recht zu machen. Unnötige Details, etwas zu lange Szenerien und ein mehr als austauschbarer Bösewicht, hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack bei einem ansonsten herzlichen und liebenswerten (Kinder-)Film.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 27.03.2019