„Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“: Unsere Filmkritik

  

von Heiner Gumprecht | 25.08.2021

Sollte die MCU- oder eine generelle Superhelden-Müdigkeit bei euch noch nicht eingesetzt haben, ist das Jahr 2021 wahrscheinlich ein durchgehendes Kinoerlebnis für euch. Nach „Black Widow folgt am 02. September 2021 Shang-Chi And The Legends Of The Ten Rings, bereits im November geht es schließlich mit „Eternals“ weiter und im Dezember dieses Jahres führt „Spider-Man: No Way Home“ die Multiversen endgültig in das Marvel Cinematic Universe ein.

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings Marvel MCU Filmszene 001Bild: „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ (2021). ©Walt Disney/Marvel


Danach folgen bis zum Mai 2023 noch sechs weitere Filme aus dem Marvel-Filmuniversum und schließen damit Phase 4 ab. Bis es jedoch soweit ist, betritt mit Shang-Chi erst einmal ein komplett neuer Held die Bühne und verspricht nicht nur eine völlig neue Art von Superheld, sondern auch einen deutlich größeren Absatzmarkt, denn der Film von Regisseur Destin Daniel Cretton dient offensichtlich einem vordergründigen Zweck, nämlich China irreversibel für das MCU zu begeistern.


Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings: Zur Handlung

Der Mandarin (Ben Kingsley), Anführer der Terroristenorganisation The Ten Rings, mag zwar ein Hochstapler gewesen sein, der Verband aus Meuchelmördern und ihr Anführer sind es jedoch nicht, wie wir bereits in dem entsprechenden Marvel One-Shot erfahren haben. Nun lernen wir diesen mysteriösen Verbrecherboss kennen und mit ihm seinen Sohn Shang-Chi, der von früh an zum Killer ausgebildet wurde, um eines Tages in die Fußstapfen seines berühmten Vaters treten zu können.

Doch im Gegensatz zu seinem beinahe tausend Jahre alten Dad, der ruchlos und brutal alles an sich nimmt, was er begehrt, ist Shang-Chi (Simu Liu) ein freundlicher Mensch, der einfach nur ein ruhiges Leben führen möchte. Daher flüchtet er in die USA, um dem Dasein als Assassine entkommen zu können. Doch Vater Wenwu (Tony Leung) spürt seinen ungehorsamen Sohn und dessen Schwester nach einigen Jahren auf und offenbart den beiden, dass es eine Möglichkeit gibt, ihre totgeglaubte Mutter ins Leben zurückzuholen.


Dabei dreht sich alles um die zehn Ringe, die Wenwu an seinem Arm trägt und die ihm unglaubliche Kräfte und ewiges Leben schenken. Außerdem gibt es irgendwo in China ein legendäres Dorf, abseits unserer Realität und bewohnt von mysteriösen Geschöpfen. Dies ist der Ort, an dem die Mutter von Shang-Chi angeblich gefangen gehalten wird, doch es ist auch ein Ort, der nicht ohne Grund seit Jahrhunderten von Kriegern beschützt wird, denn ein uraltes Böses will dort in unsere Welt eindringen.

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings Marvel MCU Filmszene 002Bild: „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ (2021). ©Walt Disney/Marvel

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings: Eine Kritik

Wie bei vielen Origin-Geschichten greift auch Regisseur Destin Daniel Cretton in „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ zu einem altbewährten Erzählstil und dem Dasein eines Sidekick (Awkwafina), durch dessen Augen wir die Welt kennen lernen, die für den Protagonisten zum Alltag gehört. Um etwas Zeit zu sparen, wird diese Figur auch direkt zum Love Interest, was jedoch nichts daran ändert, dass der Film satte 132 Minuten lang ist.

Für die Einführung eines komplett neuen MCU-Helden sicherlich keine zu lange Screentime, mit Blick auf die mangelnde Ideenvielfalt jedoch ein gutes Stück Arbeit, die euer Sitzfleisch da zu verrichten hat. Denn wenn „Shang-Chi“ auch viele gute Ideen hat und sich wagt, noch mehr in die Sparte Fantasy und Over-the-Top-Action zu gehen als viele MCU-Filme zuvor, fehlt es doch vorne und hinten an Tiefe in der Geschichte und Mut, die bereits platt gelaufenen Pfade von vorangegangen Filmen dieses Universums zu verlassen.

Dabei fängt alles so gut an. Ein sympathischer Held, viele nette und treffsichere Gags, Martial-Arts-Einlagen, die an die guten alten Jackie-Chan-Filme erinnern, und ein paar Anspielungen auf andere Figuren aus dem Filmuniversum sorgen dafür, dass die Zeit schnell vergeht und das Gehirn gar nicht erst dazu kommt, zu viel über das Gesehene nachzudenken. Was definitiv ein Segen ist, denn die Logik driftet in diesem Film in Gewässer ab, die ich einfach mal als äußerst flach und trüb bezeichnen möchte.

Doch nach ungefähr einer halben Stunde ist die Luft weitgehend raus und „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ verirrt sich in dem Versuch, eine tragische Hintergrundgeschichte zu erzählen, die Action nicht zu kurz kommen zu lassen, den Film mit Anspielungen und Easter Eggs vollzustopfen und absoluten Bombast in den Vordergrund zu stellen. An sich eine nette Herangehensweise, doch keiner der Bereiche wird voll ausgeschöpft, sondern eher schlecht als recht mit den anderen verknüpft.

Aus der zuvor gut gelungen Martial-Arts-Action wird schnell typisches MCU-Wooba-Wooba, jedoch ohne den Flair und die Eleganz, die manch andere Filme dieser Reihe vorweisen konnten. Der dramatische Teil des Werks scheitert leider an fehlender Möglichkeit, für die betroffenen Personen Empathie zu empfinden. Entweder, weil sie kaum gezeigt und vorgestellt werden, oder aber, weil der entsprechende Schauspieler so sympathisch ist wie ein Ziegelstein im Gesicht. Gleichzeitig sind die kurzen Gastauftritte von anderen Figuren lediglich oberflächlicher Fanservice.

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings Marvel MCU Filmszene 003Bild: „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ (2021). ©Walt Disney/Marvel

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings: Visueller Bombast ohne Tiefgang

Wer in der Lage ist, sein Gehirn auf Durchzug zu schalten und sich einfach berieseln lassen kann, wird vielleicht trotzdem glücklich, denn unterm Strich ist „Shang-Chi“ durchaus ein akzeptabler Film. Visuell höchst ansprechend, auch wenn das CGI auf der großen Leinwand hin und wieder ein paar Schwächen offenbart, mit nur wenigen Leerläufen und durchgehend mit einer gehörigen Prise Humor versehen, für die ab einem bestimmten Punkt in der Geschichte aber eigentlich nur noch ein einzelner Charakter verantwortlich ist.

Doch mehr als das ist einfach nicht drin. Die meisten Figuren bleiben bis zum Ende hin blass, die Dramatik fruchtet nicht, weil sie einfach lieblos über das Konstrukt der Geschichte drüber gepinselt wurde, ein großer Teil der Inhalte soll lediglich das chinesische Publikum glücklich machen, während ähnlich wie damals bei Black Panther einfach nur eine gehörige Portion an Klischees bedient werden. Und das manchmal sogar auf eine sehr fragwürdige Art und Weise.

Über die Leistung der Schauspieler kann man sich streiten, doch abgesehen von einem Fall machen die Darsteller ihren Job durchaus gut, wenn auch nicht hervorragend. Ausnahmen bestätigen hier natürlich wieder einmal die Regel. Letztendlich sind Ruckler in der Performance aber wohl eher dem blassen Drehbuch geschuldet beziehungsweise der unzureichenden Charakterausarbeitung.

Fazit

Viele verrückte Ideen, teilweise großartige Stunts und Martial-Arts-Einlagen und durchgehend oberflächlich gut unterhaltende MCU-Action. Das Universum wird mit „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ um ein gehöriges Maß an High Fantasy erweitert, einen durchgehend guten Film dürft ihr aber dennoch nicht erwarten, denn dieses Werk leidet unter der gleichen Krankheit, wie viele Origin-Geschichten zuvor. Teils blasse Charaktere, viel unnötiger Fanservice und mangelnder Tiefgang im Erzählstil und beim Dramaanteil.

Bewertung: 3/5***


Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings Marvel MCU Poster

Bild: Das Poster zu „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ (2021). ©Walt Disney/Marvel