"Sicario 2" Filmkritik — So viel böser ...

  

Bereits kurz nach der Veröffentlichung von "Sicario", aus dem Jahr 2015, wurde klar, was am 19. Juli 2018 Realität wird. Die Fortsetzung des überaus erfolgreichen Thrillers kommt in die Kinos. Im Gegensatz zum Vorgänger, bei welchem noch Denis Villeneuve auf dem Regiestuhl Platz nahm, übernimmt dieses Mal Stefano Sollima das Steuer. Das ikonische Duo aus Alejandro und Graver, erneut verkörpert durch Benicio Del Toro und Josh Brolin, bleibt allerdings erhalten.

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Der Drogenkrieg geht weiter

Die Ereignisse in "Sicario" liegen zwei Jahre zurück, Auftragskiller Alejandro Gillick und FBI-Agent Matt Graver arbeiten mittlerweile an der mexikanischen Grenze. Ein Ort, an welchem der Ausnahmezustand herrscht. Zu den Drogengeschäften, die bereits zum Alltag gehörten, gesellen sich nun auch noch skrupellose Menschenhändler, dreiste Kriminelle, die ihre Geschäfte unter der Nase der Polizei abschließen.

Immer wieder gelingt es den Verbrechern, Terroristen in die Vereinigten Staaten zu schleusen, wo diese schließlich grausame Anschläge verrichten. Als ein Selbstmordattentäter sich in einem Supermarkt in die Luft sprengt, ruft das Ereignis Gillick und Graver auf den Plan. Deren gemeinsame Idee besteht darin, die verschiedenen mexikanischen Kartelle gegeneinander aufzubringen, in der Hoffnung, dass ein Krieg die Clans auslöscht.

Als Ausgangssituation benötigen die beiden allerdings ein Druckmittel. Dieses kommt in Form der kleinen Isabella (Isabela Moner), Tochter des Kartellbosses Carlos Reyes. Der Gangster ist nicht nur äußerst mächtig, mit ihm hat Alejandro noch eine alte Rechnung offen ...

Die Realität schmerzt

"Sicario 2" folgt dem gleichen Pfad wie sein Vorgänger, ist jedoch in sonst jeglicher Hinsicht ein anderer Film. Wo Regisseur Denis Villeneuve ("Prisoners", "Blade Runner 2049", "Arrival") einen gewaltlastigen Krimi schuf, welcher trotz allem stets ein bisschen Hoffnung möglich machte, steigert sich Stefano Sollima ("Suburra", "Gomorrha - Die Serie") in die düsteren Schatten der Realität hinein.

Die Ausarbeitungen seines Werks dienen in keinem Moment dazu, dem Publikum zu gefallen, sondern darzustellen, wie trostlos, zermürbend und schlichtweg unfair die Arbeit der Verbrechenskämpfer im wahren Leben oftmals ist. In Extremfällen wie dem hier dargestellten Szenario gilt diese Aussage beinahe immer. Die Chancen auf einen Sieg existieren quasi nicht, die Mühe gestaltet sich als ewige Wiederholung ohne Belohnungen.

Diese Herangehensweise stoppt jedoch nicht mit allgemeinen Ideen, sondern wirkt sich ebenfalls auf die Charaktere aus. Protagonisten Alejandro und Graver sind zwar noch immer recht stereotypisch, dafür im Detail feiner ausgearbeitet. Die Figuren wirken generell etwas umfangreicher, in ihrer Persönlichkeit besser zu greifen und zu verstehen. Dieses Eintauchen in Tiefen der Psyche bleibt nichtsdestoweniger eine Ausnahme und geht gleichzeitig nicht sonderlich weit.

Abseits dieser beiden vermisst "Sicario 2" gut ausgearbeitete Charaktere. Charismatische Identifikationsfiguren wie einst Emily Blunt ("Edge of Tomorrow", Looper", "A Quiet Place") als FBI-Agentin Kate Macer sucht der geneigte Kinogänger in diesem Werk vergebens. Gut und böse existieren ebenfalls nicht, hier ist jede Figur schlichtweg seelisch und manchmal auch körperlich gebrochen.

Der Film selbst bleibt trotz dieser neuen Merkmale so solide ausgearbeitet wie sein Vorgänger. Die feinen Verflechtungen zwischen den Organisationen, der Ablauf des Drogen- und Menschenhandels, all dies ist schwer nachvollziehbar, komplex, aber auch ein gutes Stilmittel, um dem Publikum zu zeigen, wie schwer und unübersichtlich es in diesem Bereich wirklich ist, dem Verbrechen einen Riegel vorzuschieben.

Die Protagonisten können sich bei einem solch schwer durchschaubaren Netz aus Intrigen, Politik und fein ausgearbeiteten Plänen nie sicher sein, ob sie wirklich den richtigen Weg gewählt haben, um der Mafia das Handwerk zu legen. Dadurch bleibt es von Beginn bis zum Ende spannend. Selbst ohne Action wäre "Sicario 2" eine Adrenalinspritze, zumindest, sofern ihr in der Lage seid, euch in die gegebene Situation hinein zu versetzen.

Sicario2

Krach und bumm

Trotz des hervorragenden Gespürs seitens Stefano Sollima, die passende Atmosphäre aufzubauen, greift er deutlich öfter zum Mittel der gezeigten Brutalität, als dies noch in "Sicario" der Fall gewesen ist. Die wenigen Spitzen der Gewalt des Vorgängers werden hier zum Dauertakt, reißen oftmals aus der spannend präsentierten Geschichte heraus. Dadurch schafft es "Sicario 2" nicht, die gleiche Intensität zu erreichen wie sein Vorgänger.

Dies wird unter anderen durch die neue Technik untermalt, mit welcher das gesamte Werk sich präsentiert. Vom handwerklichen Niveau her bewegt sich Solimas Arbeit zwar ebenfalls auf obersten Niveau, doch lässt das Zusammenspiel mit der Geschichte dabei zu wünschen übrig. Der ungeschönt realistische Look von "Sicario 2" passt sich der Grundprämisse gut an, lässt fein ausgearbeitete Momente, wie wir sie in Teil 1 noch erleben durften, missen.

Der Kern der Ausarbeitung liegt nun viel mehr darin, die Gewalt des Films so spürbar wie nur möglich zu gestalten. Musikalisch wie bildtechnisch lebt der Film davon, den Zuschauer aus seinen Sitzen reißen zu wollen. Entsprechend bedrohlich wie bombastisch spielt sich jede Actionsequenz ab, lässt sich Explosionswelle um Kugelhagel beinahe schon spüren.

Dies macht "Sicario 2" zu einem Actionhit, der zwar deutlich fieser anmutet, sich gleichzeitig jedoch nicht positiv von seinem Vorgänger unterscheidet. Zu bedenken ist bei dieser Aussage jedoch, dass dies alles Motzen auf hohem Niveau ist. Nur weil Teil 2 dem Ersten nicht hundertprozentig das Wasser reichen kann, macht dies den Film selbst nicht zu einem schlechten Werk.

Ganz im Gegenteil, "Sicario 2" verfügt über großartige Setpieces, wurde geradlinig und schnörkellos konstruiert. Ob die Verschiebung des Fokus funktioniert oder nicht, muss letztendlich jeder Kinogänger für sich selbst entscheiden können, von der reinen Technik her lässt sich der Actionthriller jedoch nichts vorwerfen. Das Zusammenspiel ist es am Ende, welches den entscheidenden Faktor ausmacht.

Und wo wir gerade beim Thema „Ende“ sind, gibt es noch einen kleinen, aber zu verkraftenden Schlag in die Magengrube. Wo Teil 1 nämlich noch für sich alleine stehen konnte, setzt sein Nachfolger dreist deutlich auf eine Fortsetzung. Dies wäre nicht weiter schlimm, würde sich das Ende nicht so unnatürlich konstruiert präsentieren.

Fazit

Bedrohlicher, trostloser sowie gewaltlastiger als sein Vorgänger, jedoch nicht wirklich besser. In Stefano Sollimas "Sicario 2" steht die ungeschönte Realität an erster Stelle, die Stilmittel, die eben diese präsentieren, sind handwerklich hervorragend ausgearbeitet, und erzählerisch hochwertig. Aber auch von einigen Fehlgriffen durchzogen, die es schwer machen, dem Werk durch und durch Gefallen zu schenken. Unterm Strich nichtsdestoweniger ein hervorragender Thriller, der teilweise unter die Haut geht.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 19.07.2018