Hin und wieder zurück: Gedanken an Mittelerde (Teil 2)

  

Link zu Teil 1: "Moria — eine ganze Stadt in einem Heft" berichtet über meine liebste "Der Herr der Ringe" Rollenspielunterlage, das Rollenspiel an sich und beinhaltet einen kleinen Abriss der Geschichte des Paper-und-Pen-Rollenspiels für "Der Herr der Ringe".



Als ich mit der allerersten Lektüre der drei Bände von "Der Herr der Ringe" durch war, wollte ich unbedingt mehr von Mittelerde und ihren Bewohnern erfahren. Eigentlich wäre die Lektüre weiterer Bücher des Herr-der-Ringe-Autors J.R.R. Tolkiens der nächste logische Schritt gewesen, aber für mich entschied meine damals noch in Kinderschuhen steckende Liebe zu Hörspielen die weitere Vorgehensweise auf der Suche nach "mehr Mittelerde". Als bekennender "Masters of the Universe" Fan kannte und vergötterte ich natürlich die damals beliebten Hörspielkassetten der Serie des Europa Verlags. Als ich nach einigem herumfragen von Schulkameraden erfuhr, dass der Westdeutsche Rundfunk (kurz WDR) "Der Herr der Ringe" als Hörspiel für den Funk realisierte war ich Feuer und Flamme und wollte diese Hörspielinszenierung unbedingt hören. Gut, dass ein Klassenkamerad die Sendung auf Kassette aufzeichnete. Mein Nachschub an Zwergen, Zauberern und Abenteuern war gesichert. Und das auch noch durch ein von mir geliebtes Medium - die Hörspielkassette.

Neben der Hörspieladaption von "Der Herr der Ringe" kam mir auch "Der Hobbit" auf einigen Kassetten in die Finger. Die Vorgeschichte zum Herrn der Ringe übte einen großen Reiz auf mich aus. Schließlich ging es darum zu erfahren, wie es zu den ganzen epischen Vorkommnissen kam, die in "Der Herr der Ringe" beschrieben waren. Und nach einigen wenigen Tagen hatte ich das Hörspiel schon zu Ende gehört. Was soll ich sagen? Ich war über alle Maßen enttäuscht! Da stolperten irgendwelche tolpatschigen Zwerge über Halbling-Fussmatten, Räuber-Hotzenplotz-ähnliche Trolle stritten über Kochrezepte für Ponys und Gandalf der Graue feuerte Wortwitze der Marke Gebrüder Blattschuss dem Hörer um die Ohren. Wo war die bedeutungsschwangere Epik? Wo waren die Söhne Gondors, die ihre Ahnenlinie rehabilitieren wollten? Ich glaubte mich ach so erwachsen und schob "den Hobbit" als ein harmloses kleines Kinderabenteuer zur Seite. Erst Jahre später entdeckte ich den Charme des Buches und der Hörspielinszenierung des WDR. Denn die Kreativen im Studio haben natürlich alles richtig gemacht: "Der Hobbit" ist nun mal ein Kinderbuch. Ein Kinderbuch, das aber von einen großen Abenteuer berichtet und Charaktere anführt, die einen für immer ans Herz wachsen, sollte man sich der Art und Weise der Erzählung öffnen.

In eine Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit


Eine Karte von Mittelerde aus dem Booklet des Hörspiels

1996 veröffentlichte der Hörverlag "Der Hobbit" auf vier CDs. Inzwischen mit dem Buch vertraut, erinnerte ich mich oft an Dialoge und Szenen aus dem Hörspiel und dachte immer wieder an die für mich immer passenderen Stimmen der einzelnen Charaktere und Wesen. Und langsam, aber sicher begann "der Zauber" von "Der Hobbit", oder besser gesagt des 1980 entstandenen Hörspiels, auf mich zu wirken. Doch ich kaufte die CDs damals nicht, trotz der angenehmen Erinnerungen, die ich inzwischen über die Inszenierung hegte. Immer und immer wieder erinnerte ich mich an Dialoge und Sprüche, freute mich über den feinen Humor und bewunderte die Leistung der Sprecher, trotz der bescheidenen Audio-Qualität des damals aus dem Radio auf Kassetten aufgenommenen Hörspiels. Als der Hörverlag dann 2009 eine Neuauflage des WDR-Hörspiels von "Der Hobbit" auf CD herausbrachte, konnte ich mich wohl den wohligen und unterhaltsamen Stimmen, die solange in meiner Erinnerung schlummerten, nicht mehr entziehen. Ich kaufte endlich die Vier-CD-Box... mehr als zwanzig Jahre nach dem ersten Hören der Inszenierung. Für manche Dinge ist man halt nie zu alt.

Die Straße gleitet fort und fort...


Diese alte Weise hörte der junge Frodo oft von seinen Onkel Bilbo und das einfache Lied blieb ihm in Gedächtnis. Es berichtet von einer Reise, die einen stimmigen Abschluss im gemütlichen Heim hat. Obwohl nur wenige Zeilen lang dürfte dies auch exemplarisch für die abenteuerliche Quest stehen, die Bilbo mit seinen Zwergen-Gefährten zum Berg Erebor führte, wo es galt die alte Zwergen-Heimat von dem mächtigen Eindringling Smaug zu befreien. So wie das Buch berichtet auch das Hörspiel "Der Hobbit" dialogtreu zuerst über den amüsanten Auftakt des Abenteuers, das mit der Begegnung des Hobbits Bilbo mit dem Zauberer Gandalf beginnt. Der Sprecher Bilbos Horst Bollmann, der in seiner langen Film- und Bühnenkarriere übrigens auch am literarischen Kabarett in Düsseldorf auf der Bühne stand, scheint wie geschaffen mit seiner Stimme die Gemütlichkeit, Freundlichkeit und Neugierde des abenteuerlichen Halblings wiederzugeben. Ihm gegenüber steht in dieser Begegnung Gandalf, gesprochen von dem Bühnenveteran Bernhard Minetti. Minetti schafft es auf Anhieb den anfangs seltsam anmutenden Humor des mächtigen Zauberwirkers zu verdeutlichen. Doch "zwischen den Zeilen" blinkt die dem Charakter innewohnende Macht durch, die Gandalf durch Minettis Interpretation besitzt. Durch geschickten Wechsel im Dialog, in dem auch der Erzähler von "Der Hobbit" Martin Benrath eingebunden ist, gewinnt die Szene schnell an Fahrt und der Zuhörer findet ohne Umschweife den Einstieg ins Abenteuer.

Der Sprecher von Bilbo Beutlin: Horst Bollmann (ältere Aufnahme) © WDR

Während die Quest sich entwickelt lernt man immer weitere Charaktere der Geschichte kennen. Manchmal übernimmt auch ein Sprecher mehrere Rollen kleinerer Charaktere. Für heutige Hörspielproduktionen mag das seltsam erscheinen, doch dieser rationelle Umgang mit dem Sprecher-Talenten begrenzt so das Ensemble auf einen kleineren und übersichtlicheren Umfang und half wohl während der Aufnahmen, abgesehen von dem wirtschaftlichen Aspekt der Produktion, beim Abarbeiten der Szenen. Doch durch passendes Verkörpern der Rollen schafften es die Ensemble-Profis diese Vereinfachung kaum deutlich werden zu lassen. Neben den bereits hier erwähnten Sprechern möchte ich drei Mitglieder des Teams noch besonders erwähnen. Zu einen wäre da Jürgen von Manger, die Stimme Gollums. Von Manger schaffte es die Schleimigkeit und Gefahr des bösartigen Einsiedlers gekonnt stimmlich darzustellen. Beim Hören springt das gelegentlich Blubbern von von Mangers Stimme dem Hörer direkt ins Ohr und bildet einen genialen Gegenpart zu Horst Bollmanns Bilbo-Stimme. Heinz Schacht lieh Thorin Eichenschild, dem Zwergenfürsten und Erben des Throns von Erebor, seine Stimme. Wenn ich an seine Stimme denke verbinde ich mit ihr drei Dinge: Würde, Alter und Macht. Das mag mit der eher jugendlichen Darstellung Thorins in dem neusten Film Peter Jacksons entgegenstehen, doch darf man nicht vergessen, das es 1980 kaum multimediale Interpretationen der Werke J.R.R. Tolkiens gab und so es den Kreativen eines Projekts oblag den Charakteren und Geschöpfen aus dem reichen Fundus Tolkiens Leben einzuhauchen. Zum Schluss sei hier noch Smaugs Stimme Benno Krusche erwähnt. Schnurrend, rollend und knurrend gibt Krusche den riesigen Lindwurm eine Stimme, die mächtig Eindruck macht, trotz gefühlt weniger Sprecheinlagen Krusches.

Das Titelcover des WDR-Hörspiels DER HOBBIT © Hörverlag GmbH

Zur guter Schluss


Die Hörspielproduktion "Der Hobbit" wird mit viel Musik und Gesang des Collegium Vocale, die von Enno Dugend geschrieben wurde, eingefasst. Regie führte damals Heinz Dieter Köhler, der die Hörspielkonzeption von Ingeborg Oehme-Tröndle und ihm selbst als Ausgangsbasis für die Aufnahmen nahm. Produziert wurde das Ganze damals vom westdeutschen Rundfunk in Köln und umfasst satte 270 Minuten voller Abenteuer in den wundersamen Weiten von Mittelerde. Die Neuerscheinung des Hörspiels aus dem Jahr 2009 erhielt ein kleines aber interessantes Booklet und ein stimmiges neues Cover. Das Booklet liefert Informationen über die Charaktere und Geschöpfe, liefert Stammbäume und Karten, gibt kurz Biografien ausgesuchter Sprecher und widmet sich auch dem Autor des Buches J.R.R. Tolkien die eine oder andere Zeile. Auch wenn diese Art und Weise Hörspiele zu inszenieren sich in den nunmehr über dreißig Jahren massiv geändert, besitzt "Der Hobbit" einen märchenhaften Charme, dem ich mich immer mal wieder hingebe. Wer übrigens auf ausgefeilte Soundeffekte steht, der sollte von dem Hörspiel übrigens Abstand nehmen. Die Geräusche und Effekte wurden damals orchestral eingespielt und manchmal übernahm auch einfach die musikalische Untermalung einfach das Tragen der Stimmung. Doch trotz seines Alters sollten Herr-der-Ringe-Fans, besonders die, die an Hörspielen ihre Freude haben, diesen kleinen aber feinen Audio-Glanzstück eine Chance geben.

AJ (Stand: 21.01.13)


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