„After Yang“ Filmkritik: Colin Farrell und die schwermütigen Fragen des Lebens

  

von Heiner Gumprecht | 26.10.2022

Der Regisseur Kogonada hat bisher lediglich ein nennenswertes Werk hervorgebracht, nämlich das Drama „Columbus“ aus dem Jahr 2017. Der Film erfreute sich zurecht größtenteils positiver Bewertungen und war schon zum Release ein Garant dafür, dass wir noch mehr von dem südkoreanischen Filmemacher zu sehen bekommen werden. Nach seinem damaligen Filmdebüt folgt nun das Science-Fiction-Drama „After Yang“, in welchem Kogonada erneut die Schwere des Seins thematisiert.

After Yang Filmszene 001 (c) SkyBild: „After Yang“ (2022). © Sky Deutschland GmbH

After Yang: Eine Kritik

Im Fokus dieser sehr ruhigen, beinahe schon schleichenden Geschichte, steht eine kleine Stieffamilie, die in nicht allzu entfernter Zukunft ein vergleichsweise normales Leben führt. Der größte Unterschied zu unserer Gegenwart ist die Existenz von Robotern in Menschenform, die als Pflegekraft, Begleiter oder auch Beschützer für Kinder fungieren. In diesem Fall ist das betroffene Modell der große Bruder für ein adoptiertes chinesisches Mädchen, dass von dem synthetischen Yang (Justin H. Min) alles über sein Volk, seine Kultur lernen soll.

Doch der künstliche Verwandte ist für die kleine Mika (Malea Emma Tjandrawidjaja) viel mehr als nur ein nützliches Haushaltsgerät, kennt sie den ruhigen und intelligenten Mann doch bereits seit sie ein Baby ist. Wie viel er auch den anderen beiden Mitgliedern des Haushalts, Vater Jake (Colin Farrell) und Mutter Kyra (Jodie Turner-Smith), bedeutet, finden diese erst raus, nachdem Yang abschaltet und sich nicht mehr aktivieren lässt. Das Töchterchen ist darüber extrem traurig und die Eltern erkennen, wie viel Arbeit ihnen der Roboter abgenommen hat.

After Yang Filmszene 003 (c) Sky
Bild: „After Yang“ (2022). © Sky Deutschland GmbH

Daher hat Jake schon zwei Gründe, das verkabelte Familienmitglied repariert zu bekommen, doch zu seinem Schock muss er feststellen, dass dieses Unterfangen genauso schwer ist, wie der Versuch, ein verstorbenes Haustier wiederzubeleben. Stattdessen findet er aber eine eingebaute Speichereinheit, die stets ein paar prägende Sekunden aus dem Leben von Yang abgespeichert hat, um relevante Informationen zu bewahren. Was Jake in diesen Erinnerungen findet, überrascht ihn noch mehr.

Und es stellt ihn vor die gleichen großen Fragen, denen Philosoph*innen bereits seit langer Zeit hinterherlaufen. Was macht einen Menschen aus? Wann verschwimmt die Grenze zwischen künstlicher Intelligenz und dem Ego, auf das wir so stolz sind? Was bedeutet es überhaupt am Leben zu sein und was passiert, wenn diese kurze Zeit des Wachseins vorbei ist? „After Yang“ liefert dazu nur wenige Antworten, stattdessen erwartet er von den Zuschauer*innen, sich die meisten Gedanken selbst zu machen.

Wunderschön und extrem dröge

Was durchaus anstrengend sein kann, da sich Regisseur und Drehbuchautor Kogonada nicht bemüht, jene abzuholen, die unterhalten werden wollen. Stattdessen richtet sich sein Werk an solche unter euch, die sich der Schwermütigkeit hingeben und in melancholischen Wassern tauchen wollen. Dies untermalt der Südkoreaner mit vielen Bildern und Kameraeinstellungen, die vor Aussagekraft nur so strotzen, dafür aber den Erzählfluss zäh und undurchsichtig werden lassen. Wunderschön und extrem dröge zugleich.

Erst zum Ende hin erblüht der Film in seiner ganzen Pracht, lässt alle losen Fäden zusammenkommen, verknotet sie und beendet mit einem seichten Paukenschlag seine Grundaussage. Es kann aufgrund der Leerläufe und schleppenden Schlüsselszenen nichtsdestoweniger schwer sein, diesen Punkt des Films überhaupt zu erreichen, der Weg lohnt sich dennoch für alle, die im trüben blauen Licht nach dem Nichts greifen und sich fragen, wozu das alles überhaupt gut sein soll und warum wir hier sind.

After Yang Filmszene 002 (c) SkyBild: „After Yang“ (2022). © Sky Deutschland GmbH

Colin Farrell fast im Alleingang

Was die schauspielerische Leistung angeht, muss Colin Farrell den Film aber beinahe im Alleingang tragen, denn seine Schauspielkolleg*innen bewegen sich maximal im absoluten Durchschnittsbereich. Dank ihrer sichtbaren Lustlosigkeit fällt vor allen Dingen Jodie Turner-Smith besonders negativ auf, da sie zu keinem Zeitpunkt wirklich etwas aus ihrer Rolle macht. Selbst wenn sie durchaus Gefühle zeigen sollte und eigentlich sogar müsste, bleibt sie eine emotionale Steinwand, mit der man, selbst mit guten Willen, nicht mitfühlen kann.

Die sehr verspielte, teilweise sogar schon experimentelle Art, mit welcher Kogonada die meisten Szenen einfängt, ist zudem nur schwer einem breiten Publikum zuzumuten. Vor allen die ruhigen Szenen, denen der Regisseur durch eine unruhige Kameraarbeit eine subtile Aussagekraft geben möchte, reißen aus dem heraus, zu was uns der Film eigentlich ermutigt: abschalten, entspannen und die Gedanken fließen lassen. Das Ergebnis ist zwar sehr interessant, aber auch langatmig und nicht selten anstrengend.

Fazit

Ein starker, aussagekräftiger Film, der all jenen gefallen dürfte, die sich gerne mal der Melancholie hingeben und daraus sogar Kraft schöpfen können. Der zu starke Fokus auf aussagekräftige Bildeinstellungen und Einzelszenen macht den Erzählfluss jedoch sehr zäh und es kann sehr anstrengend werden, dem Geschehen zu folgen. Hinzu kommt, dass lediglich die Schauspielarbeit von Hauptdarsteller Colin Farrell mit der Schwere der Handlung mithalten kann, andere Schauspieler*innen, allen voran Smith, ziehen das Niveau mit ihrer Lustlosigkeit runter.

Der Sky Original Film „After Yang" startet am 31.Oktober exklusiv bei Sky und WOW.

Bewertung: 3/5***

After Yang Filmposter DE (c) Sky
Bild: „After Yang“ (2022). © Sky Deutschland GmbH